Fortunas Tochter
hat Skorbut gekriegt. Weißt du, was das bedeutet?«
»Glück gehabt.«
»Dein Vertrag läuft heute ab. Ich nehme an, ich könnte dich betrunken machen und eine Verlängerung unter– schreiben lassen. Mit einem anderen würde ich das vielleicht tun, aber ich schulde dir einige gute Dienste, und ich pflege meine Schulden zu bezahlen. Willst du weiter mit mir fahren? Ich erhöhe dir auch die Heuer.«
»Wohin?«
»Nach Kalifornien. Aber ich verlasse dieses Schiff, mir haben sie gerade einen Dampfer angeboten, das ist eine Gelegenheit, auf die ich seit Jahren warte. Es würde mich freuen, wenn du mitkämst.«
Tao Chi’en hatte viel von den Dampfschiffen reden gehört, und ihm graute vor ihnen. Der Einfall, riesige Kessel mit Wasser zu füllen, es zum Kochen zu bringen und mit dem Dampf eine Höllenmaschinerie in Gang zu setzen, konnte nur sehr eiligen Leuten gekommen sein.
War es nicht besser, im Rhythmus der Winde und der Strömungen zu reisen? Warum der Natur trotzen? Es gingen Gerüchte um über Kessel, die auf hoher See platzten und die Mannschaft bei lebendigem Leibe brühten, soweit sie nicht gleich zerfetzt worden waren.
Die Stücke Menschenfleisch wurden in alle Richtungen verstreut und dienten den Fischen als Futter, während die Seelen der Unglücklichen, auseinandergerissen im Blitz der Explosion und im wirbelnden Dampf verloren, sich nie mehr mit ihren Ahnen vereinigen konnten.
Tao Chi’en erinnerte sich noch deutlich daran, wie seine kleine Schwester ausgesehen hatte, nachdem der Topf mit kochendem Wasser über sie gekippt war, wie er sich auch an ihre schrecklichen Schmerzensschreie und ihre Todes– zuckungen erinnerte. Er war nicht bereit, eine solche Gefahr auf sich zu ziehen. Das Gold Kaliforniens, das angeblich auf der Erde verstreut lag wie Kieselsteine, verlockte ihn auch nicht sonderlich. Er war John Sommers nichts schuldig. Der Kapitän war etwas toleranter als die meisten fan gui und behandelte die Besatzung mit einer gewissen Gelassenheit, aber er war nicht sein Freund und würde es niemals sein.
»Nein danke, Sir.«
»Möchtest du nicht Kalifornien kennenlernen? Du kannst in kurzer Zeit reich werden und als großer Mann nach China zurückkehren.«
»Ja, aber auf einem Segelschiff.«
»Warum? Die Dampfer sind moderner und schneller.« Tao Chi’en hatte nicht vor, seine Gründe zu erklären. Er blickte schweigend zu Boden, die Mütze in der Hand, während der Kapitän seinen Brandy trank.
»Ich kann dich nicht zwingen«, sagte Sommers schließlich. »Ich gebe dir einen Empfehlungsbrief an meinen Freund Vincent Katz von der Brigg ›Emilia‹ mit, die läuft auch in den nächsten Tagen nach Kalifornien aus.
Er ist Holländer, ein bißchen komisch, sehr fromm und streng, aber er ist ein guter Mensch und guter Seemann.
Deine Reise wird länger dauern als meine, aber vielleicht sehen wir uns in San Francisco wieder, und wenn du inzwischen deine Entscheidung bereust, kannst du immer zu uns zurückkommen.«
Der Kapitän John Sommers und Tao Chi’en reichten sich zum erstenmal die Hände.
Die Reise
Eingesperrt in ihren Schlupfwinkel im Laderaum, begann Eliza zu sterben. Zur Dunkelheit und dem Gefühl, lebend eingemauert zu sein, kam der Geruch hinzu, ein Gemisch aus dem Inhalt der Ballen und Kisten, dem Salzfisch in Fässern und den Saugfischen und Mollusken, die sich in die alten Holzwände des Schiffes eingefressen hatten. Ihre gute Nase, die ihr so dienlich war, mit geschlossenen Augen durch die Welt zu gehen, war zum Folterinstrument geworden. Ihre einzige Gesellschaft war eine dreifarbige Katze, die mit ihr im Schiffsbauch begraben war, um sie vor Ratten zu schützen. Tao Chi’en hatte ihr versichert, sie werde sich an den Geruch und das Eingeschlossensein gewöhnen, weil der Körper sich in Notzeiten an fast alles gewöhnt, und hatte hinzugefügt, die Reise werde lange dauern und sie werde sich nie an der frischen Luft zeigen können, deshalb sei es besser für sie, sich nicht durch Grübeleien verrückt zu machen. Sie werde Wasser und Essen bekommen, das verspreche er ihr, er werde sich darum kümmern, wann immer er in den Laderaum hinabsteigen könne, ohne Verdacht zu erregen. Die Brigg sei klein, aber mit Menschen vollgestopft, da werde es leicht sein, sich unter einem Vorwand zu verdrücken.
»Danke. Wenn wir in Kalifornien ankommen, gebe ich Ihnen die Brosche mit den Türkisen…«
»Die behalten Sie, Sie haben mich schon bezahlt. Sie werden sie brauchen. Weshalb
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