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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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verfiel in ein längeres Lamento im Dialekt seines Heimatdorfes, den er schon fünfzehn Jahre nicht mehr gesprochen hatte: hätte er das gewußt, dann hätte er ihr niemals geholfen, wie konnte sie sich nur einfallen lassen, schwanger nach Kalifornien zu reisen, sie mußte wahnsinnig sein, eine Fehlgeburt, das fehlte gerade noch, wenn sie starb, war er verloren, ihm eine solche Suppe einzubrocken, für wie blöd halte sie ihn eigentlich, wieso hatte er nicht geahnt, weshalb sie es so eilig hatte, aus Chile zu verschwinden! Er fügte noch einige Flüche und Verwünschungen auf englisch hinzu, aber sie war wieder ohnmächtig geworden und befand sich jenseits von jeglichem Vorwurf. Er hielt sie in den Armen und wiegte sie wie ein Kind, während seine Wut sich in unendliches Mitleid verwandelte. Einen Augenblick kam ihm der Gedanke, zu Kapitän Katz zu laufen und ihm die ganze Sache zu beichten, aber wie würde der reagieren? Dieser holländische Lutheraner, der die Frauen an Bord behan– delte, als hätten sie die Pest, würde sicherlich wütend werden, wenn er hörte, daß da auch noch eine versteckte an Bord war, und zu allem Überfluß eine schwangere und sterbende. Und welche Strafe würde er ihm, Tao, zudiktieren? Nein, er konnte es niemandem sagen. Ihm blieb nur eines zu tun übrig - warten, daß Eliza starb, wenn das ihr Karma war, und dann den Leichnam zusammen mit den Küchenabfällen ins Meer zu werfen. Das äußerste, was er für sie tun konnte, wenn er sie zu sehr leiden sah - er konnte ihr helfen, mit Würde aus dem Leben zu scheiden.
    Er ging zum Ausgangsluk, als seine Haut ihm eine fremde Gegenwart meldete. Erschrocken hob er die Laterne und erblickte im Kreis des zitternden Lichtscheins in vollkommener Klarheit seine angebetete Lin, die ihn ganz aus der Nähe beobachtete mit jenem neckenden Ausdruck im durchscheinenden Gesicht, das einst sein größtes Entzücken gewesen war. Sie trug ihr Kleid aus grüner Seide, das mit Goldfäden bestickt war und das sie nur bei großen Gelegenheiten anzog, das Haar war zu einem schlichten, mit Elfenbeinstäbchen gehaltenen Knoten zurückgenommen und über den Ohren mit zwei frischen Päonien geschmückt. Genau so hatte er sie zum letztenmal gesehen, als die Nachbarinnen sie vor der Trauerzeremonie angekleidet hatten. So wirklich war die Erscheinung seiner Frau hier im Schiffsbauch, daß ihn Panik packte: die Geister, mochten sie einst auch gute Menschen gewesen sein, waren oft grausam zu den Lebenden. Er versuchte zum Luk zu flüchten, aber sie versperrte ihm den Weg. Tao Chi’en sank zitternd in die Knie, ohne seine Laterne loszulassen, seine einzige Verbindung mit der handfesten Wirklichkeit. Er wollte ein Gebet zur Teufelsaustreibung sprechen, falls sie Lins Gestalt angenommen hätten, um ihn zu verwirren, aber er konnte sich nicht an die Worte erinnern, und nur ein langer Klageton, Klage um seine Liebe zu ihr und aus Sehnsucht nach dem Vergangenen, kam von seinen Lippen. Da beugte Lin sich über ihn in ihrer unvergeßlichen Lieblichkeit, so nah, daß er sie hätte küssen können, wenn er es gewagt hätte, und flüsterte, sie sei nicht von so weit hergekommen, um ihm angst zu machen, sondern um ihn an die Pflichten eines ehrbaren Arztes zu erinnern. Auch sie war kurz davor gewesen, zu verbluten wie dieses Mädchen, als sie ihre Tochter geboren hatte, und da sei er fähig gewesen, sie zu retten. Weshalb tat er nicht das gleiche für dieses junge Wesen? Was ging vor in ihrem geliebten Tao? Hatte er etwa sein gutes Herz verloren und sich in eine Küchenschabe verwandelt? Ein frühzeitiger Tod sei nicht Elizas Karma, versicherte sie ihm. Wenn eine Frau bereit sei, in einem elenden Loch begraben durch die Welt zu reisen, um ihren Mann zu finden, dann heiße das, daß sie viel Qi besitze.
    »Du mußt ihr helfen, Tao, wenn sie stirbt, ohne ihren Geliebten wiederzusehen, wird sie nie Frieden finden, und ihr Geist wird dich auf ewig verfolgen«, warnte ihn Lin, ehe sie verschwand.
    »Warte!« flehte der Mann und streckte eine Hand aus, um sie zu halten, aber seine Finger schlossen sich um Leere.
    Tao Chi’en lag lange Zeit auf dem Boden und versuchte seiner Erschütterung Herr zu werden, bis sein verrücktes Herz ruhiger schlug und Lins zarter Duft sich verflüchtigt hatte. »Geh nicht fort, geh nicht fort!« wiederholte er unzählige Male, von Liebe übermannt.
    Schließlich schaffte er es, aufzustehen, die Luke zu öffnen und hinauf ins Freie zu treten.
    Es war eine

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