Endlich werd ich dich erobern!
1. Kapitel
Allison Whittaker starrte auf den Mann, der sie vielleicht töten wollte. Vorsichtig schob sie die Lamellen ihrer Jalousie ein wenig beiseite, um einen besseren Blick auf die dunkle Straße zu erhalten, die sich unter ihr erstreckte. Der gelbliche Schein einer altmodischen Gaslaterne kämpfte einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Dunkelheit der kühlen Aprilnacht.
Der Mann in dem schwarzen Wagen auf der anderen Straßenseite saß reglos auf dem Fahrersitz, das Gesicht im Dunkeln verborgen.
Letzte Nacht war er auch schon dort gewesen.
Sie hatte ihn bemerkt, da sie aus Prinzip aufmerksam war. Das wurde man nach vier Jahren als stellvertretende Bezirksstaatsanwältin in Boston. Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn war sie wesentlich naiver gewesen. Damals war sie frisch von der Universität gekommen und noch sehr idealistisch gewesen.
Wenn es nach ihrer vornehmen Familie gegangen wäre, hätte die nächste Stufe auf ihrer Karriereleiter ohnehin anders aussehen müssen als das, was sie jetzt machte. Ein netter ruhiger Job in einer renommierten Anwaltskanzlei wäre die Idealvorstellung ihrer Mutter gewesen, einer angesehenen Familienrichterin, über die soeben ein lobender Artikel im "Boston Globe" erschienen war.
Allison hatte sich jedoch zur Überraschung aller für das harte Brot der Anklägerin entschieden. Und das nicht etwa in der prestigeträchtigen Stellung als stellvertretende Bundesanwältin, die mit den großen Fällen betraut war. Nein, sie hatte sich in die Niederungen der Justiz begeben und sorgte als Anklägerin beim Bezirksgericht dafür, dass der miese kleine Drogendealer oder Einbrecher von nebenan hinter Gittern landete.
Allison blickte immer noch auf die Gestalt im Auto und überlegte, dass ihre Familie sehr überrascht wäre, wenn sie plötzlich tot in ihrem Haus läge, die Kehle von dem geheimnisvollen Mann durchschnitten, der ihr Morddrohungen schickte. Nein, auf diese Zugabe konnte sie verzichten.
Sie hielt den Atem an, da der Mann im Auto sich plötzlich bewegte und die Fahrertür öffnete.
Als er ausstieg, spähte sie noch angestrengter durch die Lamellen, konnte sein Gesicht in der Dunkelheit jedoch nicht genau erkennen. Er war groß und muskulös, hatte braunes Haar und trug dunkle Kleidung.
Sie beobachtete, wie er die Straße hinauf und hinab blickte und dann auf ihr Haus zusteuerte. Wollte er etwa zu ihr? Unwillkürlich bekam sie Herzklopfen und atmete schneller. Ruf die Polizei! mahnte ihr Verstand.
Zweifellos würden ihre Nachbarn es hören, wenn er einzubrechen versuchte. Denn in Beacon Hill, dem exklusiven Wohnviertel, in dem sie lebte, müsste so etwas doch eigentlich auffallen.
Der Mann durchquerte den Lichtkegel einer Straßenlaterne, und plötzlich gewann Allisons Verstand die Oberhand über ihre Horrorvisionen von einem gewalttätigen Einbrecher.
Das Gesicht kenne ich doch! schoss es ihr nun durch den Kopf.
Ärger verdrängte ihre Angst. Keine leichte Verärgerung, sondern die heftig brodelnde Variante, die jeden ihrer drei älteren Brüder sofort hätte in Deckung gehen lassen.
Sie eilte die Treppe ins Erdgeschoss ihres Backsteinhauses hinunter, obwohl sie sich bereits ausgezogen hatte und nur ein kurzes Seidenhemdchen und einen passenden Morgenmantel darüber trug. Unten angelangt, war sie sich zwar vage bewusst, weder Klopfen noch Klingeln gehört zu haben, schloss jedoch auf und riss die Tür auf.
"Hallo, Prinzessin."
Wie stets beim Anblick dieses großen athletischen Mannes erhöhte sich ihr Pulsschlag und sie spannte sich innerlich an.
Frauen reagierten auf ihn nicht selten ziemlich albern und begannen kichernd zu flirten. Sie nicht. Dafür kannten sie sich zu lange und zu gut. Außerdem bezweifelte sie, dass sein Erscheinen bei ihr an diesem Abend purer Zufall war.
Die Arme vor der Brust verschränkt, fuhr sie ihn an: "Hast du die falsche Abzweigung genommen, Connor? Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, war Beacon Hill früher eine zu exklusive Wohngegend für ungehobelte Typen wie dich!"
Er besaß die Frechheit, amüsiert auszusehen, während er sie mit einem anerkennenden Blick maß. "Und du bist immer noch die stolze Prinzessin aus meiner Erinnerung – strahlend wie ein Diamant."
"Wenn du dich mit Diamanten auch nur ansatzweise auskennst, dann weißt du ja wohl, dass man sich an ihnen die Zähne ausbeißen kann."
"Was Diamanten betrifft, damit kenne ich mich seit neuestem bestens aus, Ally." Er tippte ihr mit dem Finger auf
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