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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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pausenlos gegen alle Regierungen, das englische Königshaus, die Militärs und Polizisten, das System der Klassenprivilegien, das er mit den Kasten Indiens verglich, die Religion im allgemeinen und das Christentum im besonderen.
    »Sie müssen hier weg, Mr. Todd, Sie drehen ja völlig durch«, wagte Joaquín Andieta eines Tages zu ihm zu sagen, als er ihn von einem Platz fortholte, wo die Polizei schon drauf und dran war, ihn festzunehmen.
    Genau so, wie ein Narr auf offener Straße Reden schwingend, traf ihn Kapitän John Sommers an, der schon vor mehreren Wochen von seinem Segler an Land gegangen war. Das Schiff war bei der Fahrt ums Kap Horn so gebeutelt worden, daß langwierige Reparaturen daran vorgenommen werden mußten. John Sommers hatte einen ganzen Monat im Haus seiner Geschwister Jeremy und Rose verbracht. Das bestimmte ihn, auf einem der modernen Dampfschiffe Arbeit zu suchen, sowie er nach England zurückgekehrt sein würde, denn er war nicht bereit, das Erlebnis ›Gefangener im Familienkäfig‹ je zu wiederholen. Er liebte die Seinen, aber am liebsten aus sicherer Distanz. Er hatte sich bislang gesträubt, an die Dampfer auch nur zu denken, weil er sich das Abenteuer des Meeres nicht vorstellen konnte ohne die Herausforderung von Wetter und Takelage, an denen ein Kapitän sein Können bewies, aber er mußte doch endlich zugeben, daß die Zukunft den neuen Schiffen gehörte, weil sie größer, sicherer und schneller waren. Als er merkte, daß ihm die Haare ausgingen, schob er die Schuld natürlich auf das seßhafte Leben. Bald fühlte er sich von der Langeweile wie in eine Rüstung eingezwängt, und er floh aus dem Haus, um rastlos wie ein gefangenes Raubtier im Hafen auf und ab zu traben. Als Jacob Todd den Kapitän erkannte, zog er sich die Krempe seines Hutes tief ins Gesicht und tat, als sähe er ihn nicht, um sich die Demütigung einer neuen Zurückweisung zu ersparen, aber der Seemann hielt ihn an und schlug ihm zur Begrüßung herzlich auf die Schulter.
    »Kommen Sie, trinken wir einen Schluck!«, und damit zog er ihn in eine nahe gelegene Schenke.
    Es war einer dieser Schlupfwinkel im Hafen, wo man noch anständige Getränke bekam, außerdem boten sie dort als einziges und zu Recht berühmtes Gericht gebratenen Meeraal mit Kartoffeln und Salat aus rohen Zwiebeln an. Todd, der in diesen Tagen gewöhnlich zu essen vergaß und ohnehin nie genug Geld in der Tasche hatte, roch den köstlichen Duft der Speise und glaubte ohnmächtig zu werden. Eine Woge von Dankbarkeit und Wohlgefühl trieb ihm die Tränen in die Augen. John Sommers wandte höflich den Blick ab, während Todd alles bis zum letzten Krümchen hinunterschlang.
    »Ich hab diese Idee mit der Missioniererei unter den Indios von Anfang an nicht gut gefunden«, sagte er, als Todd sich eben fragte, ob der Kapitän überhaupt von dem Finanzskandal wußte. »Die armen Leute da haben das Unglück nicht verdient, evangelisiert zu werden.
    Was haben Sie denn jetzt vor?«
    »Ich habe alles zurückgegeben, was noch auf dem Konto war, aber ich bin noch eine ganze Menge schuldig.«
    »Und Sie können nicht bezahlen, was?«
    »Im Augenblick nicht, aber…«
    »Nichts aber, Mann. Erst haben Sie diesen guten Christen einen Vorwand geliefert, sich tugendhaft zu fühlen, und jetzt haben Sie ihnen auch noch einen hübschen Anlaß zur Entrüstung geliefert. Das Vergnügen haben sie billig gekriegt. Als ich Sie fragte, was Sie jetzt vorhaben, dachte ich an Ihre Zukunft, nicht an Ihre Schulden.«
    »Ich habe keine Pläne.«
    »Kommen Sie mit mir zurück nach England. Hier ist kein Platz für Sie. Wie viele Ausländer gibt es in diesem Hafenviertel? Ein paar arme Schlucker, und alle kennen sich. Glauben Sie mir, man wird Sie nicht in Frieden lassen. In England dagegen können Sie sich in der Masse verlieren.«
    Jacob Todd blickte mit so verzweifeltem Gesicht in sein Glas, daß der Kapitän in schallendes Gelächter ausbrach.
    »Sagen Sie mir bloß nicht, Sie bleiben wegen meiner Schwester Rose hier!«
    Aber genau das war es. Die allgemeine Ablehnung wäre etwas erträglicher für Todd gewesen, wenn Miss Rose nur ein kleines bißchen Loyalität oder Verständnis gezeigt hätte, aber sie weigerte sich, ihn zu empfangen, und schickte seine Briefe, in denen er versuchte, seinen Namen reinzuwaschen, ungeöffnet zurück. Was er nicht wußte, war, daß seine Botschaften ihre Empfängerin gar nicht erreichten, weil Jeremy Sommers - und damit verletzte er die zwischen

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