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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hier leben. Als erstes muß man die Arbeiter, die Armen und die Indios vereinigen, den Bauern Land geben und den Priestern die Macht nehmen. Die Verfassung muß geändert werden, Mr. Todd. Hier wählen nur die Besitzenden, das heißt, die Reichen regieren. Die Armen zählen nicht.«
    Anfangs dachte sich Jacob Todd allerlei Listen aus, wie er seinem Freund helfen konnte, aber er mußte bald wieder davon absehen, weil seine Bemühungen den Jungen kränkten. Er übertrug ihm kleine Besorgungen, um einen Vorwand zu haben, ihm Geld zu geben, aber Andieta erledigte alles gewissenhaft und wies dann jegliche Art der Bezahlung zurück. Wenn Todd ihm Tabak, ein Glas Brandy oder auch nur in einer stürmischen Nacht seinen Regenschirm anbot, reagierte Andieta mit so eisigem Hochmut, daß Todd verstört und bisweilen beleidigt aufgab. Der Junge erwähnte niemals seine Herkunft, er schien Gestalt anzunehmen, um ein paar Stunden mit revolutionären Gesprächen oder mit zündendem Lesestoff in der Buchhandlung zu verbringen, und sich am Ende dieser gemeinsamen Abende in Luft aufzulösen. Er hatte nicht genug Geld, um mit den andern in die Kneipe zu ziehen, und nahm keine Einladung an, die er doch nicht erwidern konnte.
    Eines Abends konnte Todd die Ungewißheit nicht länger ertragen und folgte ihm durch das Labyrinth der Straßen am Hafen, wo man sich im Dunkel der Torgänge verstecken konnte und an den Ecken der abenteuerlich krummen Gassen, die nach Meinung der Leute absichtlich so gewunden waren, damit der Teufel sich darin nicht festsetzen konnte. Er sah, wie Andieta sich die Hosenbeine hochkrempelte, die Schuhe auszog, sie in Zeitungspapier wickelte und achtsam in seiner abgeschabten Aktentasche verstaute, aus der er ein Paar Holzpantoffeln zog und über die Füße streifte. Um diese späte Stunde waren außer streunenden Katzen, die im Unrat nach Freßbarem stöberten, nur noch einige wenige verlorene Seelen unterwegs. Todd kam sich vor wie ein Dieb, als er dem Freund im Dunkeln fast auf dem Fuße folgte, er konnte seinen hastigen Atem hören und das trockene Geräusch, mit dem er sich unaufhörlich die Hände rieb, die unter der eisigen Kälte zu erstarren drohten. Seine Schritte führten ihn zu einem schäbigen Mietshaus. Gestank nach Urin und Exkrementen schlug ihm entgegen; durch diese Viertel kamen die Straßenkehrer mit ihren langen Haken zum Freimachen der Abflüsse nur selten. Todd begriff, weshalb Andieta sich vorsichtshalber seine einzigen Schuhe ausgezogen hatte: er wußte nicht mehr, worauf er trat, seine Füße versanken in einer pestilenzialisch stinkenden Brühe. In der mondlosen Nacht sickerte spärliches Licht durch die windschiefen Fenster, von denen viele kein Glas mehr hatten und mit Pappe oder Brettern vernagelt waren.
    Durch die Spalten konnte man ins Innere elender, von Kerzen kümmerlich erhellter Wohnungen sehen. Feiner Nebel gab der Szene einen Anflug von Unwirklichkeit. Todd sah, wie Andieta ein Streichholz anriß, einen Schlüssel aus der Tasche zog und bei dem flackernden Licht der kleinen Flamme eine Tür aufschloß. »Bist du es, Junge?« hörte er deutlich eine weibliche Stimme fragen, die viel klarer und jünger klang, als er erwartet hätte. Dann schloß sich die Tür. Todd stand lange in der Dunkelheit, starrte auf das schäbige Haus und verspürte den unbändigen Wunsch, an die Tür zu klopfen, nicht nur aus Neugier, sondern aus einer überwältigenden Zuneigung für seinen Freund. »Verdammt, ich werde langsam zum Idioten«, murmelte er schließlich.
    Er wandte sich um und machte sich auf zum Club de la Unión, um einen Schluck zu trinken und die Zeitungen zu lesen, aber bevor er dort war, besann er sich reuevoll - er fühlte sich außerstande, nach der Armut, die er gerade verlassen hatte, diese Salons mit den Ledersesseln und Kristalleuchtern zu betreten, und kehrte zurück in seine Wohnung.
    So standen die Dinge Ende 1845, als die Handelsflotte Großbritanniens einen Geistlichen nach Valparaíso schickte, der sich um die religiösen Bedürfnisse der Pro– testanten kümmern sollte. Der Mann kam, willens, den Katholiken die Stirn zu bieten, eine solide anglikanische Kirche zu bauen und seiner Gemeinde neuen Auftrieb zu geben. Seine erste offizielle Handlung war, die Ausgaben für das Missionierungsvorhaben auf Feuerland zu über– prüfen, von dessen Ergebnissen nirgendwo etwas zu sehen war. Jacob Todd ließ sich von Agustín del Valle auf die Hazienda einladen in der Hoffnung, so

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