Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
er nicht die Kraft aufbrachte, sich im Norden in ein neues Abenteuer zu wagen. Wißbegier und Ruhelosigkeit, die ihn früher angetrieben hatten, waren dem besessenen Wunsch gewichen, seinen guten Namen zurückzugewinnen.
    »Ich bin ruiniert, Señora, sehen Sie das nicht? Ein Mann ohne Ehre ist ein toter Mann.«
    »Die Zeiten haben sich geändert«, tröstete ihn Paulina.
    »Früher konnte die befleckte Ehre einer Frau nur mit Blut reingewaschen werden. Aber wie Sie wissen, Mr. Todd, genügte in meinem Fall eine Kanne Schokolade.
    Die Ehre der Männer ist viel widerstandsfähiger als unsere. Verzweifeln Sie nicht.«
    Feliciano Rodríguez de Santa Cruz, der Todds Vermittlungsrolle bei seiner Liebesgeschichte mit Paulina nicht vergessen hatte, wollte ihm Geld leihen, damit er die Missionsgelder bis auf den letzten Centavo zurückzahlen konnte, aber vor die Wahl gestellt, es einem Freund oder dem protestantischen Pastor zu schulden, zog Todd letzteren vor, denn sein Ruf war so oder so zerstört. Inzwischen hatte er sich auch von den Katzen und den Torten verabschieden müssen, weil die englische Witwe ihn unter einer Flut von Vorwürfen vor die Tür setzte. Die gute Frau hatte ihre Anstrengungen in der Küche verdoppelt, um durch den Verkauf ihrer Torten die Verbreitung ihres Glaubens in jenen Regionen des ewigen Winters zu finanzieren, wo Tag und Nacht ein gespenstischer Wind heulte, wie Jacob Todd ihr erzählt hatte, berauscht von seiner eignen Redekunst. Als sie erfuhr, welches Schicksal ihren Ersparnissen in den Händen des falschen Missionars zuteil geworden war, geriet sie in heiligen Zorn und warf ihn aus dem Haus.
    Durch Joaquín Andietas Hilfe konnte er ein Zimmer in einer halbwegs anständigen Gegend des Hafenviertels beziehen, das zwar klein war, aber ihm freien Blick auf das Meer gestattete. Das Haus gehörte einer chilenischen Familie und hatte nicht die europäischen Prätentionen des Ausländerviertels, es war nach alter Weise aus weißgekalkten Luftziegeln gebaut, hatte ein rotes Ziegeldach und bestand aus einem Eingangsflur, einem großen Raum fast ohne Möbel, der als Wohnzimmer, Eßzimmer und Elternschlafzimmer diente, einem kleineren, fensterlosen, wo alle Kinder schliefen, und einem Hinterzimmer, das vermietet wurde. Der Besitzer arbeitete als Volksschullehrer, und seine Frau trug zum Haushalt bei, indem sie in der Küche Kerzen herstellte.
    Der Wachsgeruch hatte sich im ganzen Haus festgesetzt. Todd konnte dieses süßliche Aroma in seinen Büchern, seiner Kleidung, seinem Haar und sogar in seiner Seele riechen; so sehr war es ihm unter die Haut gedrungen, daß er noch viele Jahre später am anderen Ende der Welt nach Kerzen roch. Er bewegte sich nur in dem schäbigen Hafenviertel, wo niemanden der gute oder schlechte Ruf eines rothaarigen Gringos kümmerte. Er aß in den Kneipen der Armen und verbrachte ganze Tage mit den Fischern, arbeitete eifrig mit an Netzen und Booten. Die körperliche Anstrengung tat ihm gut, und für ein paar Stunden konnte er seinen verletzten Stolz vergessen.
    Joaquín Andieta besuchte ihn oft. Sie schlossen sich ein, um über Politik zu diskutieren und Texte französischer Philosophen zu tauschen, während auf der anderen Seite der Tür die Kinder des Lehrers rannten und spielten und wie ein Faden geschmolzenen Goldes das Wachs der Kerzen floß. Joaquín Andieta kam nie auf das Missionsgeld zu sprechen, obwohl er davon wissen mußte, denn der Skandal wurde wochenlang lebhaft durchgehechelt. Als Todd ihm erklären wollte, daß es nie seine Absicht gewesen sei, zu betrügen, und daß alles nur an seinem miserablen Kopf für Zahlen, seiner sprichwörtlichen Unordnung und seinem Pech gelegen habe, legte Andieta den Zeigefinger an die Lippen, die Geste, die man überall kennt. Von Scham und Zuneigung getrieben, umarmte Jacob Todd ihn linkisch, und Andieta drückte ihn an sich, machte sich aber augenblicklich schroff wieder los, rot bis über die Ohren. Beide traten gleichzeitig verwirrt einen Schritt zurück, ohne zu verstehen, wie sie die elementare Verhaltensregel verletzen konnten, die körperlichen Kontakt zwischen Männern verbietet außer in der Schlacht oder in brutalen Sportarten. In den folgenden Monaten kam der Engländer gefährlich vom Kurs ab, vernachlässigte sein Äußeres, strich mit einem Sieben-Tage-Bart durch die Gassen und roch nach Kerzen und Alkohol. Wenn er sich mit dem Gin dann doch übernommen hatte, wetterte er wie ein Wahnsinniger atemlos und

Weitere Kostenlose Bücher