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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Aussehen schon verändert hatte. Die Veränderungen betrafen indes weniger die eigentliche Burg: der große viereckige Bau von zwei Stockwerken Höhe umschloß einen Innenhof und hatte vier Ecktürme mit Pechnasen, welche durch einen mit Zinnen versehenen Wehrgang miteinander verbunden waren.
    Doch zum Zeitpunkt des Kaufes war die Burg umgeben nur von einem lächerlichen Wassergraben, kaum einen Klafter breit und so flach, daß selbst ein kleiner Mensch, so er hineingefallen wäre, überall hätte stehen können. Er war folglich zur Verteidigung kaum nützlich und machte die Zugbrücke fast überflüssig, welche von einem Torhaus auf der Südseite den Zugang zur Innenburg ermöglichte. Denn in der Tat hätte ein jeder ohne jegliche Gefahr für sein Leben das Wasser durchqueren und eine Leiter an die Burgmauer anstellen können.
    Der Erfindungsgeist und die Kunstfertigkeit, womit die Hauptleute diesen Wallgraben zu verändern suchten, wären indes ohne einen glücklichen Umstand wirkungslos geblieben: der Brunnen in einer Ecke des Innenhofes erwies sich als unerschöpflich. Die Herren Brüder wurden dessen gewahr, als sie ihn kurze Zeit nach dem Erwerb der Burg reinigen wollten. Mitten im August, in einer Zeit großer Trockenheit, begannen zwei Männer mit Eimern zu schöpfen. Da sich der Wasserspiegel nicht senkte und der Brunnenschacht breit genug war, machte man sich zu dreien, zu vieren, zu fünfen ans Werk … Zu acht gelang es schließlich, den Wasserstand um einiges abzusenken, doch da ward eine Erdspalte sichtbar, aus der ein armdicker Wasserstrahl hervorströmte. Die Hauptleute befahlen darauf, die Arbeit einzustellen, und in kurzer Zeit hatte sich der Brunnen wieder bis zu der Röhre gefüllt, welche den Überschuß an Wasser in den Wallgraben leitete.
    Dieser Zufluß mußte umgeleitet werden, ehe man in den Gräben an die Arbeit gehen konnte, was erst nach der Weinlese möglich war, da es eine große Zahl von Männern brauchte, um die Grabungen entsprechend den Plänen der Hauptleute auszuführen. Zusätzlich zu den Soldaten, dem Gesinde und den Nachbarn wurden noch Tagelöhner gedungen, welche auch Kost erhielten, denn die Herren Brüder sparten nicht bei der Ausführung ihres großen Vorhabens, einen Weiher von einem guten Klafter Tiefe und sieben Klaftern Breite um die Burg herum anzulegen.
    Auf diese Weise ward Mespech zu einer Insel, welche vermittels einer so sinnreichen, kunstfertigen und wehrhaften Brückenanlage mit dem festen Land verbunden war, daß ich niemals einen Besucher erlebt, welcher nicht sogleich von höchster Bewunderung darüber erfaßt ward.
    Die Zugbrücke des Torhauses führt nämlich nicht zum festen Lande, sondern zu einem kleinen runden Turm, welcher im Wasser steht. Dieser Turm weist nun seinerseits eine Zugbrücke auf, welche zu einer Insel von fünf mal fünf Klaftern führt. Auf dieser Insel, umgeben von einer hohen, mit Schießscharten versehenen Mauer, befinden sich die Schuppen, worinnen Wagen, Pflüge, Eggen und anderes Gerät abgestellt werden, sowie – auf der Mespech zugewandten Seite – ein Waschplatz. Auf der anderen Inselseite, wo der Graben sich etwas verengt, stehet wiederum ein Turm mit einer dritten Zugbrücke, welche die Verbindung zum anderen Ufer herstellt.
    Die drei Zugänge sind so schmal, daß zwei Fuhrwerke nicht aneinander vorbeikommen und das Einfahren der Ernte und des Heus oder das Eintreiben des Viehs auf den inneren Burghof nur langsam vonstatten geht; des Nachts wird nämlich alles hinter die schützenden Mauern gebracht, ausgenommen die größeren Gerätschaften, welche nur schwer zu bewegen sind und deshalb auf der Insel verbleiben. Aber die große Breite und Tiefe des die Burg umgebenden Wassers sowie die drei Zugbrücken geben ein starkes Gefühl der Sicherheit, welches auf eine unerklärliche Weise auch zu der Schönheit des Ganzen beiträgt.
    Lange Zeit glaubte ich, diese so wehrhafte und dem Auge so angenehme Brückenanlage sei einmalig in ganz Frankreich, doch in meinen Mannesjahren gewahrte ich eines Tages, da ichin wildem Ritt über Berg und Tal einer Räuberbande zu entkommen suchte, unversehens eine Burg, welche mit dem sie umgebenden Weiher und einer turmbewehrten Insel meinem heimatlichen Mespech sehr ähnlich war. Allein ich konnte nicht verweilen in meiner Flucht vor dieser Meute greulicher Kerle, welche mit gezogenem Degen und wilden Schreien hinter mir her waren und mir den Säckel, das Roß und das Leben zu nehmen

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