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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Märtyrer?«
    »Ja.«
    »Seid Ihr willens, der Prozession zu Ehren der Heiligen Jungfrau ehrfürchtig, barhäuptig und mit einer Kerze in der Hand zu folgen?«
    »Ja.«
    Der Gerichtsrat wandte sich alsdann Sauveterre zu, um nunmehr diesen zu befragen, doch der erhob sich, trat humpelnd näher und sprach mit Festigkeit in Stimme und Blick:
    »Herr Gerichtsrat, mein Bruder hat all Eure Fragen ausgezeichnet beantwortet. Nehmet seine Antworten auch als die meinigen. Und wollet daraus schließen, daß unsere Religion in allen Punkten der des Königs von Frankreich gleicht, welchem wir beide so getreulich in der Normannischen Legion gedient.«
    Diese knappe Antwort war sehr schlau, und der Gerichtsrat merkte, daß er nicht länger zu insistieren brauchte. Doch er war nicht zufriedengestellt; denn er kannte sich aus mit Menschen, welche von der reformierten Religion angezogen werden wie die Eisenspäne vom Magneten, und so sprachen selbst die Tugenden der Hauptleute, ihr Ernst, ihr Wissen, ihr stiller Mut, nicht zu ihren Gunsten.
    »Es sind höchst ehrenwerte Männer«, sprach der Gerichtsrat nach der Befragung zum Vorsitzenden, »ohne Fehl und Tadel,doch bekennen sie sich nur halbherzig zur Religion des Königs. Ich vermeine an ihnen den Geruch des Hugenotten zu verspüren.«
    »Auch wenn Ihr eine feine Nase habt«, entschied der Vorsitzende, »so ist der bloße Geruch doch nicht ausreichend. Solange sie sich nicht zu der verdammlichen Reformation bekennen, widersetzen sie sich ihrem König nicht. Überlassen wir also den Glaubenseifer den Männern der Kirche.«
    Welchen Geruch das Parlament an dem Baron von Fontenac verspürte und über welche heimlichen Gönner dieser Erzschurke verfügte, erfuhr das gemeine Volk nicht. Der Urteilsspruch, welcher ihn »mangels handgreiflicher Beweise und unwiderlegbarer Zeugnisse« lediglich auf zwanzig Jahre aus den Amtsbezirken Sarlat und Domme verbannte, ward jedenfalls in der ganzen Provinz als übermäßig mild angesehen.
    Auf dem Rückweg ritt La Boétie den anderen voraus, um in Libourne das Quartier für die kleine Schar vorzubereiten; Caumont und die Konsuln von Sarlat blieben zurück, indes die Hauptleute – die »Herren Brüder« – ihm folgten.
    »Es ist Jammer und Schade, daß wir in so großer Eile sind«, hub La Boétie an, »sonst wären wir über Montaigne geritten, wo ich Euch einen kleinen Kerl von zwölf Jahren gezeigt hätte, welchen sein Vater von klein auf das Lateinische gelehrt und der nun zur Bewunderung aller die ›Metamorphosen‹ des Ovid im Original liest.«
    »Dieser Seigneur hat tausendmal recht«, sprach Siorac, »so viel Mühe auf die Unterrichtung seines Sohnes zu verwenden. Es braucht viele gelehrte Männer, uns aus dem Zustand der Barbarei herauszuführen.«
    »Doch leider sind Wissen und Gewissen nicht immer Schwestern«, fügte La Boétie hinzu. »Auch Fontenac ist sehr gebildet.«
    »Und dieser Schurke kommt so billig davon!« rief Sauveterre. »Zwanzig Jahre Verbannung für so viele gemeine Morde! Das Blut kocht mir ob solcher Ungerechtigkeit!«
    »Freilich hat dieser Fontenac ein Dutzend Menschen umgebracht«, ließ sich La Boétie wieder vernehmen, »doch was ist er gegen den Baron d’Oppède, der die waldenser Bauern im Luberon gleich zu Hunderten massakrieren ließ, ihre Felder im Namen des Königs beschlagnahmte und sie dann heimlich aufkaufte?Man hat ihm zwar einen Prozeß gemacht, doch ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, daß er mit reiner Weste daraus hervorgehen wird!«
    »So geht es zu in dieser traurigen Welt«, sprach Sauveterre, »überall nur Blut und Unflat und lügnerischer Aberglaube, welcher das reine Wort Gottes verfälscht!«
    Die Antwort war Schweigen. Keinem stand der Sinn danach – auch nicht Siorac und am allerwenigsten Herrn de La Boétie –, dem Hasen nachzujagen, den Sauveterre aufgescheucht.
    »Und an wen fällt für die kommenden zwanzig Jahre die Baronie Fontenac?« fragte Siorac schließlich.
    »An den einzigen Sohn des Barons, Bertrand de Fontenac, welcher jetzt mündig ist, da er gerade fünfzehn Jahre geworden.«
    La Boétie fügte hinzu:
    »Den alten Wolf seid Ihr jetzt los, Messieurs, aber es ist ein Wölfling da. Und von dem ist kaum Gutes zu hören. Er ist zwar noch jung an Jahren, doch die Reißzähne können ihm schon wachsen.«

ZWEITES KAPITEL
     
    Ich wurde im Frühling anno 1551 geboren – sechs Jahre, nachdem die Herren Brüder Mespech erworben, und somit zu einer Zeit, da sich sein

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