Fortune de France: Roman (German Edition)
trefflicher Schuß!« rief Siorac.
»Die Engländer«, ließ sich Sauveterre vernehmen, »haben bis auf den heutigen Tag noch Bogenschützen in ihrem Heer. Und sie tun recht daran. Haben wir, Jean, nicht so manchen Kampf verlorengehen sehen, weil die Lunten der Arkebusen im Regen naß geworden? – Jonas«, fuhr er fort, »verstehst du dich auf das Steinebrechen ebenso trefflich wie aufs Bogenschießen?«
»Aber gewiß!« erwiderte Jonas mit stolzer Miene. »Ich kenne mein Handwerk und verrichte es mit Freude. Auch verstehe ich, Bausteine zuzurichten, seien es Dachsteine, Mauerquader oder Keilsteine für die Rundung der Türme. Des weiteren vermag ich Steine für die Fenster- und Türstürze zuzuhauen und Fenster mit Kreuzstöcken oder Doppelsäulen samt dem dazugehörigen Kapitell zu verfertigen. Und wenn es not tut, kann ich einen Stein von gleichem Gewicht wie ich selbst auf den Schultern die Leiter hinauftragen und mit Kalk in die Mauer einsetzen.«
»Und kannst du lesen und schreiben?«
»Leider nein, doch rechnen kann ich, Steine numerieren und eine Zeichnung lesen, wenn nur die Zahlen darauf stehen. Auch weiß ich mit Lot und Winkel umzugehen.«
Nachdem die beiden Hauptleute einen Blick gewechselt, sprach Sauveterre:
»Jonas, wir nehmen dich für drei Monate auf Probe in unseren Dienst. Dafür erhältst du Kost und Logis. So wir dich nach den drei Monaten behalten, bekommst du dazu noch zwei Sols am Tag.«
Für die damalige Zeit war dies ein angemessener Lohn. Doch dreißig Jahre später, als das Leben – und auch der behauene Stein – viel teurer geworden, verdiente Jonas noch immer nur zwei Sols am Tag; trotzdem war er zufrieden darob, wie er sagte, mit seiner Hände Arbeit seinen großen Leib ernähren zu können, wo es in der Provinz doch so viele arme Schlucker ohne Broterwerb gab.
»Ihr Herren Hauptleute«, hub Jonas wieder an, »ehe ich nach Mespech gekommen, habe ich einen kleinen Abstecher zu Eurem Steinbruch gemacht. Wenn der Wald und die Wiese daneben Euch gehören, so bitte ich um die Erlaubnis, dort jagen zu dürfen. Von dem erlegten Wild will ich Euch drei Viertel bringen und ein Viertel für mich behalten, wodurch Ihr an dem Salzfleisch spart, das zu meiner Kost gehört. Und so Ihr dann noch die Güte hättet, mir eine Milchziege auf die Wiese zu stellen, würde ich als Gegendienst für die Milch die Zicklein aufziehen.«
»Darüber läßt sich reden«, erwiderte Sauveterre.
»In dem Steinbruch«, fuhr Jonas fort, »sah ich eine geräumige Höhle. Wenn Ihr mir dahinein einen Laubsack mit Kastanienblättern legen ließet, könnte ich sommers wie winters darinnen schlafen und so die Wegezeit sparen, welche dann der Arbeit zugute käme. Wer sollte überdies die behauenen Steine bewachen, wenn ich nicht dort Quartier nähme?«
So war Jonas damals, und so ist er noch heute: mehr bedacht auf den Vorteil seiner Herren als auf den eigenen. Er trat in den Dienst von Mespech, wie andere ins Kloster eintreten; doch war er deshalb den Freuden des Lebens nicht abgeneigt, einem guten Tropfen etwa des Sonntags an unserer Tafel, den kleinen Raufereien um des Spaßes willen, den abendlichen Erzählungen. Ebensowenig zeigte er sich abweisend, als eines Tages ein keckes Frauenzimmer ihn in Versuchung führte, wie ich noch berichten werde.
Meine Mutter ging mit meinem älteren Bruder im fünften Monat schwanger, als La Boétie am 21sten April anno 1547 mit mancherlei Berichten über den Tod des Königs 1 aus der Hauptstadt zurückkehrte. Der Kriminalleutnant war in großer Begleitung nach Paris geritten, dem König eine Angelegenheit vorzutragen, die indes mein Vater nicht in seinem »Buch der Rechenschaft« erwähnt, obgleich er sonst alles darin vermerkte, seien es Gespräche, Begegnungen oder auch die Preise für alle möglichen Dinge. So lese ich, daß sich mein Vater am Samstag vor dem 20sten April nach Sarlat begab und dort einhundert Haarnadeln für meine Mutter kaufte: 5 Sols; Schuhe für Cabusse: 5 Sols und 2 Heller; Hufeisen für seine Stute: 2 Sols;hernach nahm er ein »gar wohlschmeckendes Mahl« für 8 Sols in der Schenke von Rigaudie ein.
La Boétie fand den Hof in großer Aufregung vor, voller trauriger Gesichter und geheimer Hoffnungen, indes nirgendwo auch nur das geringste aufrichtige Gefühl, ausgenommen die Trauer des Dauphins und die Verzweiflung von Madame d’Estampes 1 , welche schon ihre Bündel schnürte. Was nun den König betraf, dessen er nur von weitem ansichtig
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