Fortune de France: Roman (German Edition)
trachteten.
Dank der Schnelligkeit meines wackeren Rappen entkam ich ihnen, doch vermochte ich seither diesen liebenswerten Wohnsitz nicht wiederzufinden. Ich weiß nur, daß er sich irgendwo im Umland der großen Stadt Bordeaux befinden muß.
Auf dem jenseitigen Ufer unseres Weihers befinden sich der Küchengarten, bequem zu erreichen und zu bewässern, der Obstgarten sowie – ein Stück tiefer gelegen, damit sie die Aussicht nicht behindern – unsere Nußbäume, von denen wir eine Vielzahl besitzen und deren Früchte uns Öl für die Lampen, für die Küche und auch für den Verkauf liefern. Die beiden Gärten sind umgeben von einem hohen Zaun aus angespitzten und im Feuer gehärteten Holzpfählen. Hinter dem Zaune haben unsere Soldaten Fußangeln eingegraben, die Strauchdiebe zu fangen, die es zur Reifezeit des Nachts wagen sollten, Gemüse oder Obst aus dem Garten zu stehlen. Denn das Elend in unserem Périgord ist leider so groß und die Schar der Bettler so zahlreich – sie strömen, vom Hunger aus den Bergen der Auvergne getrieben, vom Osten her in unsere Provinz –, daß kein Sommer vergeht, in dem nicht eines Tages ein armer Teufel in unserem Garten gefunden wird, welcher stöhnend und mit blutigem Fuß zu den Gemüsebeeten hinstrebt, wohl wissend, daß er kraft der herrschaftlichen Gerichtsbarkeit gehängt wird, sobald man ihn entdeckt.
Meine Mutter beklagte diese Hinrichtungen, doch die Herren Brüder hielten ihr entgegen, daß diese armen Kerle, so man sie blutend und humpelnd ziehen ließe, zu den Qualen eines langsamen Todes verurteilt wären. Meine Mutter erreichte indes, daß sie vor dem Erhängen mit einem Schlag betäubt wurden, um ihre Todesqualen abzukürzen, und daß man die Leichname nicht am Galgen verwesen ließ, wie es der Brauch wollte.
Seither begrub man sie also in geziemender Weise auf einem steinigen Stück Erde, darauf bis zum damaligen Tage nochkein einziges Kraut gewachsen war. Zu diesem Friedhof der namenlosen Bettler begab sich am ersten Sonntag eines jeden Monats meine Mutter, um zu beten, gefolgt von der Amme Barberine, welche mich auf dem Arme trug, von deren kleiner Tochter Hélix, welche ihr am Rock hing, sowie von dem bewaffneten Cabusse, denn weder Weib noch Kind durfte Mespech ohne Eskorte verlassen. Später, da das Verbot nicht mehr so genau befolgt ward, habe ich oft mit der kleinen Hélix an diesem Ort gespielt. Die armen Bettler, welche zu ihren Lebzeiten oft Hunger gelitten, müssen die Erde nach ihrem Tode wohl gut gedüngt haben, denn jetzt wächst dort dichtes Gras, und im Frühjahr blühen wunderschöne gelbe Narzissen, welche indessen keiner zu pflücken wagt. Es heißt, daß eine solche Blume, wenn sie geschnitten wird, einen Seufzer ausstößt, und wer diesen Klageton hört, ob Mann oder Weib, ist dazu verdammt, für den Rest seines Lebens Hunger zu leiden.
Ein Jahr nach dem Kauf von Mespech ehelichte mein Vater Isabelle de Caumont, welche mit ihren blauen Augen, blonden Haaren und der Medaille am Hals einen so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, als er zum ersten Mal mit Sauveterre auf Castelnau zu Gast war. Isabelle war »von ebenmäßigem Wuchs mit festen, üppigen Rundungen, die Beine schlank und hoch, die Füße zierlich«. Diese Beschreibung stammt von meinem Vater und ist zu lesen auf der ersten Seite in seinem »Buch der Rechenschaft«, das er am Tage seiner Hochzeit, dem 16ten September anno 1546, begann. Er vermerkt weiter, daß er zweiunddreißig und sein Eheweib fünfzehn Jahre alt, daß sie anmutig anzusehen, gesund an Leib und Seele, von höchst vergnüglicher Gesellschaft, von fröhlichem, beständigem Sinn, wenn auch zuweilen ein wenig starrköpfig, und dazu trotz ihrer Neigung zur Götzendienerei eine gute Christin sei. »Die Hochzeitsfeier, die Kleider, die Schenkung an die Geistlichkeit, die Gaben für die Armen sowie die beiden Festmähler beliefen sich«, so lese ich weiter, »auf 500 tourische Livres, eine bescheidene Summe angesichts der üblichen Gepflogenheiten des Adels.« Sauveterre hat am Rande mit seiner kleinen Krakelschrift angemerkt: »Noch zuviel! Fünfhundert Livres sind der Preis für ein schönes Stück Ackerland.«
Dies war indessen kein Anlaß für Zwist unter den Brüdern. Schon zu alt, um noch auf Brautschau zu gehen, war es Jean deSauveterre zufrieden, daß Jean de Siorac eine Familie gründete, damit wenigstens einer für Nachkommenschaft sorge, an die Mespech vererbt werden könnte. Allerdings störte ihn
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