Fortune de France: Roman (German Edition)
Jungfrau eingetreten, die ein weit ausgeschnittenes Morgenkleid trug und deren blondes Haar bis auf die Schultern fiel. Seit er seine Besuche bei den adeligen Herren des Sarladischen Landes begonnen, hatte Siorac so viele Damen gesehen, deren Hals in steife Spitzenkrausen gezwängt war, darauf der Kopf wie auf einem Teller zu ruhen schien, daß er diesen Hals von makellosem Weiß, der mit der Anmut eines Schwanes bewegt ward, mit großem Entzücken betrachtete, indes die Jungfrau ihn ihrerseits mit ihren blauen Augen ansah. Man grüßte sich gegenseitig, und Sauveterre,welcher herbeigehumpelt kam, gewahrte an dem Halse, der Siorac solches Entzücken bereitete, eine Medaille, bei welchem Anblick sich seine Miene verfinsterte.
»Isabelle«, sprach Caumont mit seiner tiefen Stimme, »ist die Tochter meines Oheims, des Chevalier de Caumont. Mein Eheweib muß infolge einer Hirnverkühlung das Zimmer hüten, sonst wäre sie zu Ehren unserer Gäste herabgekommen. So wird meine Base Isabelle ihren Platz einnehmen. Obgleich nicht unbegütert, lebt Isabelle bei uns – zu unserer großen Freude, denn sie ist die Vollkommenheit in Person«, endete er mit einem Blick auf Siorac.
Verschmitzt setzte er hinzu, doch diesmal mit einem Blick auf Sauveterre: »Es gibt nichts Tadelnswürdiges an ihr, ausgenommen vielleicht ihre Vorliebe für Medaillen.«
Worauf die blauen Augen Isabelles zu blitzen begannen und sie gar heftig mit einer lebhaften Bewegung des Halses und der Schultern erwiderte:
»Worinnen ich, mein lieber Vetter, dem König Ludwig XI. ähnele …«
»Welcher ein großer König war trotz seiner Götzendienerei«, setzte Caumont mit ernster Stimme, doch lächelnden Auges hinzu.
Als die beiden Jeans am nächsten Tage sich auf ihren Rössern zur Burg Mespech begaben, fanden sie die Zugbrücke hochgezogen, und auf ihr Rufen zeigte sich nach einer Weile auf dem Burgwall ein Kopf mit borstigem Haarschopf, rotem Gesicht und stumpfen Augen.
»Ziehet weiter!« schrie der Mann mit rauher Stimme, »ich habe Befehl, niemandem zu öffnen!«
»Was für ein Befehl ist das?« fragte Jean de Siorac. »Und wer hat ihn dir erteilt? Ich bin der Chevalier de Siorac, der Neffe von Raymond Siorac aus Taniès, und bin willens, die Burg mit meinem Gefährten Jean de Sauveterre zu kaufen. Doch wie kann ich sie kaufen, wenn mir die Besichtigung verwehrt wird?«
»Oh, Moussu 1 , Moussu!« rief der Mann. »Ich bitte Euch untertänigst um Vergebung, doch bedeutete es große Gefahr für mein Leben und das der Meinen, so ich Euch einließe.«
»Wer bist du, und wie ist dein Name?«
»Maligou.«
»Ein rechter Saufbruder ist er, wie mich deucht«, sagte Sauveterre mit verhaltener Stimme.
»Maligou«, hub Siorac wieder an, »bist du ein Bedienter dieses Hauses?«
»Nein«, erwiderte er stolz, »ich besitze selbst einen Acker, ein Haus und einen Weinberg.«
»Einen großen Weinberg?« fragte Sauveterre.
»Groß genug für meinen Durst.«
»Und aus welchem Grunde befindest du dich allhier?«
»Nachdem ich meine bescheidene Ernte eingebracht, habe ich mich zu meinem Unglück von den Erben Mespechs für zwei Sols am Tag für die Bewachung der Burg verdingen lassen.«
»Welche zwei Sols du gar schlecht verdienst, wenn du die Käufer nicht einläßt!«
»Moussu, ich darf nicht«, erwiderte Maligou in kläglichem Ton. »So ist es mir befohlen, und wenn ich zuwiderhandele, setze ich mein Leben aufs Spiel.«
»Wer hat dir dies befohlen?«
»Ihr wisset schon, wer«, antwortete Maligou mit gesenktem Haupte.
»Maligou«, sprach da Sauveterre mit finsterer Miene, »wenn du nicht sogleich die Zugbrücke herabläßt, dann galoppiere ich nach Sarlat, den Kriminalleutnant mit seinen Bütteln zu holen. Die werden dich dann hängen dafür, daß du die Käufer behinderst!«
»Monsieur de La Boétie werde ich gewißlich einlassen«, sagte Maligou mit einem gewaltigen Seufzer der Erleichterung, »doch ich glaube nicht, daß er mich aufhängen läßt. Holet nur den Leutnant, Moussu, ehe ich von anderen umgebracht werde! Ich bitte Euch im Namen Gottes unseres Herrn und aller Heiligen!«
»Zum Teufel mit den Heiligen«, sprach Sauveterre leise. »Trägt der Kerl etwa
auch
eine Medaille der Jungfrau Maria?«
»Aber gewiß nicht an so liebreizender und vortrefflicher Stelle«, entgegnete Siorac mit halber Stimme und fuhr fort: »Also dann auf, Sauveterre, lasset uns nach Sarlat reiten! Durch die Schuld dieses störrischen Kerls haben wir noch ein gutes
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