173 - Der Dämonen-Henker
Oggral war einer von vielen Dämonen, und er lebte auf einer Welt von vielen, in einer Dimension, die dem Dunstkreis der Hölle angehörte.
In jungen Jahren hatte er die Reiche des Schreckens durchwandert, doch bald war er des ruhelosen Umherziehens müde geworden und hatte sich einen festen Wohnsitz geschaffen.
So mancher Gast, den er seitdem in seinem Haus aufgenommen hatte, überlebte das nicht. Oggral war falsch wie eine Schlange, er sprach doppelzüngig und wußte jedermann schlau zu täuschen.
Auch Chrysa war auf ihn hereingefallen. Sie war vor Mago, dem Jäger der abtrünnigen Hexen, geflohen und glaubte, bei Oggral Schutz gefunden zu haben, denn der Dämon erklärte, er stünde zwar nicht auf ihrer Seite, aber er wäre ein erbitterter Feind von Mago, und deshalb könne sie mit seiner Hilfe rechnen.
Es war eine Lüge.
Chrysa war vom Regen in die Traufe gekommen. Mit Oggral hatte sie es sogar noch schlimmer getroffen, denn Mago hätte sie rasch getötet, während es Oggral gefiel, sie langsam zu Tode zu quälen.
Der Mann, der sie zu Oggral brachte, war ein willenloses Werkzeug des Dämons. Ihn zu bitten, ihr zur Flucht zu verhelfen, hatte keinen Sinn. Er tat nur, was Oggral genehm war.
Es war kein Geheimnis, daß die Köpfe derer, die Oggrals Willen zuwiderhandelten, sehr locker saßen. Dennoch hatte er Männer im Gefolge, die nicht hundertprozentig hinter ihm standen, die nicht mit allem einverstanden waren, was er anordnete, aber es waren wenige, und es wurden immer weniger, dafür sorgte Oggral.
Einer dieser Männer hieß Niaroc. Von ihm hatte Chrysa den magischen Dolch bekommen, mit dem sie sich von der Tyrannei des Dämons befreien wollte.
Aufgeregt verbarg sie ihn in ihrem weiten, blutroten Gewand, das sie immer tragen mußte, wenn Oggral nach ihr verlangte. Sie war sich darüber im klaren, was für sie auf dem Spiel stand, doch sie hatte sich entschlossen, das große Risiko einzugehen, alles auf eine Karte zu setzen.
Alles oder nichts!
Freiheit oder Tod – es sollte eine Entscheidung fallen, denn diese quälenden Demütigungen wollte Chrysa nicht länger ertragen.
Der Dämon sollte sterben. Heute nacht!
Mit nackten Füßen ging Chrysa neben dem schweigenden Mann, der grimmig vor sich hin starrte und sie keines Blickes würdigte. Er sah wölfisch aus, hatte ein graues Gesicht mit hohen Wangenknochen.
Der Steinboden war kalt, und die Mauern waren mit nahezu schwarzer Düsternis bedeckt. Nur ab und zu blakte eine Fackel, die in einem Eisenring steckte.
Der Weg zu Oggral war immer trostlos und deprimierend. Chrysa hoffte mit jeder Faser ihres Herzens, daß sie ihn heute zum letztenmal gehen mußte.
Vor einem großen, silberbeschlagenen Tor blieb sie stehen. Die zarte blonde Hexe griff rasch unter den blutroten Stoff, als befürchte sie, den magischen Dolch verloren zu haben, aber er war noch da, und das beruhigte sie wenigstens für den Augenblick.
Der Mann neben Chrysa schlug mit der Faust gegen das Tor und öffnete es. Weit schwangen die breiten Flügel auf, und helles Licht von Kerzen, Fackeln und Feuerstellen flutete aus dem großen Saal, in dem Oggral die weiße Hexe erwartete.
Der Mann, der sie geholt hatte, trat nicht ein. Er wußte, daß Oggral mit Chrysa allein sein wollte. Seine große, harte Hand legte sich auf ihren schmalen Rücken, sie bekam von ihm einen Stoß, der sie vorwärts taumeln ließ, und dann schlossen sich die schweren Torflügel hinter ihr mit einem dumpfen Knall, der Chrysas Herz erbeben ließ, weil so viel Endgültiges darin lag.
Oggral stand zwischen zwei flachen Feuerbecken. Er war von großer, kräftiger Gestalt, und an Stelle von Haaren bedeckte seinen Kopf das schwarz glänzende Fell eines Panthers. Er besaß auch Reißzähne wie ein Raubtier, die ihn trotz ihrer furchteinflößenden Größe beim Sprechen nicht störten.
Er konnte sich deutlich artikulieren, und seine Stimme war so kräftig und laut, daß sie den Saal bis in den letzten Winkel ausfüllte.
Ein rotes Adernnetz bedeckte seine Augen. Bei flüchtigem Hinsehen hätte man meinen können, sie würden glühen. Sein Oberkörper war nackt, schwarzer geraffter Stoff bedeckte seine Hüften, und Stiefel aus braunem Leder ragten mit ihrem Schaft bis weit über seine Knie.
Gebannt stand Chrysa da. Mit einemmal glaubte sie sich zuviel zuzumuten. Zweifel wuchsen in ihr. Konnte sie diesem kraftstrotzenden Dämon etwas anhaben?
Grundsätzlich war jeder Dämon zu vernichten, aber man brauchte die richtige
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