Gute Maedchen tuns im Bett, boese ueberall
Sinn und Sinnlichkeit eine Art Vorwort
Das Wort Sinnlichkeit sollte man eigentlich im großen Bertelsmann Universallexikon finden; ein Ratgeber für Heim, Hof, Hausfrauen und Humanmedizin. Als einziges, was wenigstens annähernd in die Richtung »Sinn« geht, finden sich ein Sinnesorgan und sogenannte »Sinneszellen, die einen Außenreiz aufnehmen und in Erregung transformieren«. Das Wissen unserer Zeit, komprimiert in über 170000 Stichwörtern und 30 000 anschaulichen Bildern, läßt es offenbar nicht zu, uns eine genaue Definition von dem dreisilbigen Wort »Sinnlichkeit« zu offenbaren.
Dabei überschwemmen uns Medien, Diskussionen und Literatur täglich mit den absonderlichsten Formen und semantischen Abwandlungen des Wortes Sinnlichkeit: sinnliche Lippen, Augen, Bewegungen etc., die ganze Palette des stillen Glückes; besinnlich, Sinnfindung, sinnlos - oder, um es zurückhaltender auszudrücken, »sinnfrei« -, Sinnbild, Sinn, Sinnesorgan, darunter wiederum nur Augen, Nase, Ohr, Geschmacksnerven und Sinneszellen, Sinnestäuschung, Sinneswahrnehmung, sinnverwandt. Armes Deutschland.
Die »sinnliche Frau« ist ein unausgesprochenes Phänomen der Unglaubwürdigkeit. Eine Illusion von ständiger sexueller Bereitschaft, eine Idealisierung von Schönheit, Intelligenz und Witz, eine utopische Vision von Lebendigkeit, Verständnis und allumfassender Liebesweisheiten. Werfen wir doch gemeinsam einen kurzen Blick in die Geschichte der Frau und greifen uns ein paar exemplarische Beispiele der »sinnlichen Frau« heraus: Carmen die schlechteste aller Frauen; selbstbewußt, intelligent und im guten alten Stil verführerisch. Auf jeden Fall sinnlich. Wie viele weibliche Geschöpfe haben schon versucht, wie sie zu sein, und haben dabei ihr Leben lassen müssen. Sie sind nicht unbedingt umgebracht worden, doch sie haben ihr Leben im eigentlichen Sinne verloren: Sie waren nicht mehr sie selbst, sondern versuchten, eine Rolle auszufüllen, die niemand von ihnen verlangt hatte. Die Rolle eines sinnlichen Weibchens. Irgendwann muß jede Frau damit überfordert sein, nur auf eine Sache fixiert zu sein. Diese Anstrengungen von »was kann ich tun, um möglichst anziehend zu sein«, sind auf Dauer ermüdend und frustrierend. Vor allem, wenn nichts passiert.
Lolita - die Kindfrau, Sinnbild der Sinnlichkeit. Unschuldig. Reizend. Durchtrieben. Wer mit großen Kuhaugen und leicht geöffnetem, angefeuchtetem Schmollmund durch die Welt läuft, hat nicht viel zu verlieren. Aber auch nicht viel zu gewinnen. Wenn sich ein junges Mädchen auf der Schwelle zur heranwachsenden Frau befindet, hat sie sich innerlich schon in dem uralten Kampf der Weiblichkeit verstrickt; nämlich eine begehrenswerte, verführerische Person zu sein. Denn leider blamiert Mann sich in den heutigen Zeiten immer noch eher mit einer häßlichen Frau als mit einer dummen. Also Lolita: Mach Hübsch!
Die Reduzierung auf das Körperliche, gepaart mit einem Hauch von Klugheit, hat es in sich. Man braucht keine Sorgen zu haben, daß man für kompliziert gehalten wird. Alles spielt sich in dem vorgefertigten Rahmen der Schönheit ab, und entweder es paßt, oder es paßt nicht. Dann kann man wieder nach Hause gehen. Was ließ sich Madame Pompadour nicht alles einfallen, um ihren König bei Laune zu halten; immer wieder neue Spiele und pikante Drumherums. Damals war die Guillotine noch in Mode, und sie mußte sich wahrhaftig anstrengen. Doch was haben die Frauen von heute damit zu tun? Der Kopf wird uns nicht abgeschlagen, und nicht jeder Mann ist ein König. Doch wo liegt der Sinn in dieser altfranzösischen Sinnlichkeit, deren weißliche Puder-Fassade schon längst einer Restaurierung bedarf? Was hat uns das ausgehende 20. Jahrhundert sonst noch an Frauenfiguren beschert, die so einzigartig waren, daß jeder Mann dachte, alle Frauen müßten so sein? Mae West, die Sexgöttin der Roaring Twenties. Als sie mit ihrer Bühnenshow »Sex« am Broadway auftrat, wurden sie und ihre Transvestiten-Tänzer ins Gefängnis geworfen - das war etwas zuviel für das prüde Amerika. Aber Maes Blick war unvergleichlich. Dianne Brill würde ihn sechzig Jahre später als den »Danilo-Flirt-Blick« bezeichnen, aber dazu komme ich noch. Die 50er Jahre prägte zweifellos Marilyn Monroe. Sie hatte sich bei allen Schuhen, die sie trug, den linken Absatz etwas abfeilen lassen, um den berühmten Hüftschwung besser rüberzubringen. Von ihren vermeidlichen Rückenschmerzen spricht kein Mann. Heute
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