Foules Spiel: Ein Nürnberger Fußballkrimi (German Edition)
schien mit den Gedanken vollkommen abwesend zu sein.
»Ich würde die Drohbriefe gerne sehen, wenn Sie nichts dagegen haben. Sie haben sie hier?«
»Ja, oben.« Eric stand auf. »Ich hole sie.«
Charlotte war versucht, das Schweigen zu brechen, doch sie nutzte die paar Minuten, Dana zu beobachten. Die junge Frau bemühte sich um eine lockere Haltung, aber ihre verkrampften Hände und ihr starrer Blick verrieten ihre Anspannung.
Das Leben ist ungerecht , dachte Charlotte. Warum gibt sie manchen Frauen alles und anderen nichts? Neben dem Model, mit den langen blonden Haaren und den ebenmäßigen Gesichtszügen, fühlte sie sich wie Aschenputtel. Dana hatte die langen Beine graziös nebeneinandergestellt, die Füße steckten in silbernen Sandalen mit Absätzen, bei deren Anblick Charlotte schwindlig wurde. Wie konnte man auf so etwas laufen? Dagegen ihre alte Jeans und die abgelatschten Winterstiefel …
Eric kam zurück. »Hier.« Er reichte Charlotte ein paar Blätter. »Sie sind ziemlich verschmiert, die Polizei hat natürlich nach Fingerabdrücken gesucht.«
Charlotte nahm die Seiten und legte sie auf den Glastisch. Es war der Klassiker: Buchstaben, aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnitten oder ausgerissen und auf weißes Papier geklebt. An den Rändern waren dunkel gefärbte Fingerabdrücke zu erkennen.
»Das sind unsere«, erklärte Eric. »Man denkt ja nicht sofort an polizeiliche Ermittlungen, wenn man einen Brief erhält.«
»Gibt es Umschläge dazu?«, wollte Charlotte wissen.
Eric schüttelte den Kopf. »Nein, sie wurden, zweimal gefaltet, in den Briefkasten geworfen.« Mit einem schnellen Blick zu Dana fügte er hinzu: »Zwei Zettel lagen hinter der Wohnungstür.«
Charlotte starrte auf die Briefe. Die Nachricht war immer dieselbe:
Du hast mein Leben zerstört. Jetzt zerstöre ich deines.
Nicht sonderlich aussagekräftig.
»Gab es anonyme Anrufe?«
»Zweimal hat jemand angerufen und wieder aufgelegt«, meldete sich Dana unvermittelt zu Wort. »Der kann sich natürlich auch nur verwählt haben«, fügte sie in einem Ton hinzu, der klar machte, dass sie nicht daran glaubte.
»Wann war das?«, fragte Charlotte, mehr um Dana am Reden zu halten als aus echtem Interesse.
»Das erste Mal kurz nach dem ersten Drohbrief. Das zweite Mal vor gut zwei Wochen.«
»Du hast mir gar nichts davon gesagt!«, rief Eric erstaunt.
Dana verzog das Gesicht. »Ich kam mir blöd vor. Ich will keine hysterische Kuh sein.«
»Das sind Sie keineswegs«, versicherte Charlotte ihr. »Man muss solche Dinge …«, sie deutete auf die Briefe, »… immer ernst nehmen.« Sie schob die Blätter zusammen. »Es gab also außer den Briefen und womöglich zwei Anrufen keine weiteren Bedrohungen?«
Eric schüttelte den Kopf. »Ich weiß zumindest von keiner. Du?«
Dana schüttelte ebenfalls den Kopf, aber Charlotte hatte den Eindruck, sie verheimliche etwas. Vielleicht würde sie in einem Gespräch von Frau zu Frau eher etwas sagen. Und dazu hatten sie jede Menge Zeit.
»Gut«, sagte sie. »Wie soll das Ganze ablaufen?«
»Es wäre gut, wenn Sie immer anwesend sein könnten, wenn ich nicht da bin«, sagte Eric. Er warf seiner Freundin einen liebevollen Blick zu. »Ich will, dass Dana sich sicher fühlt.«
Dana schenkte ihm ein unsicheres Lächeln.
Zwischen den beiden gibt es Spannungen , dachte Charlotte. Laut sagte sie zu Eric: »Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?«
»Ich bin täglich außer Montag beim Training. Wenn am Samstag Spiel ist, fahre ich am Freitagnachmittag mit der Mannschaft ins Mannschaftshotel. Ist das Spiel am Sonntag, entsprechend am Samstag, ist es am Freitagabend, am Donnerstag. Ich komme dann Sonntag beziehungsweise Montag wieder zurück.«
Charlotte nickte. Miller hatte ihr gesagt, dass sie vor allem am Wochenende würde arbeiten müssen, das war kein Problem. Natürlich war es nicht schön, dass Patrick ausgerechnet am Wochenende allein sein würde, aber er könnte sie sicher ab und zu besuchen kommen.
»Sie können hier wohnen«, sagte Eric. »Wir haben oben ein Gästezimmer mit eigenem Bad.«
»Oh.« Charlotte war überrascht. »Das wusste ich nicht. Davon hat mir auch niemand etwas gesagt.« Sie überlegte kurz, sagte dann: »Ich habe eine Wohnung gemietet, wir sind vorgestern eingezogen. Mein Sohn und ich«, fügte sie hinzu. »Er ist 15 und sehr selbstständig. Vermutlich ist er froh, wenn ich aus dem Haus bin.« Sie lachte. »Dennoch würde ich es bevorzugen, zu Hause zu wohnen, wenn
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