Kerstin Gier 2
23. Oktober
Auch von mir ein herzliches Willkommen an unser neues Mitglied Marina. Ich bin die Mama von Marie-Antoinette und hier die Fachfrau für Hand- und Bastelarbeiten sowie Alleinerziehenden-Fragen. Den Namen Anakin habe ich noch nie gehört, finde ihn aber ganz toll. Ist er ungarisch?
Ich bin doch ein wenig enttäuscht, dass sich niemand von euch zum Last-Minute-Laternen-Bastelkurs angemeldet hat. Aber gut, mehr als anbieten kann man es ja nicht. Wer von euch ist eigentlich noch für den Glühweinstand eingetragen? Wir müssten allmählich mal die verschiedenen Angebote Probe trinken. Der vom letzten Jahr schmeckte zu süß, der davor war eine ekelhafte Plörre, von der man nicht betrunken wurde, sondern direkt Kopfschmerzen bekam.
Mami Gitti
23. Oktober
Ist es nicht noch ein bisschen früh für einen Last-Minute-Kurs, Gitti? Es ist doch noch so lange hin bis Sankt Martin. Ich war übrigens für den Glühweinstand eingetragen, habe aber mit Sabine getauscht, weil ich ja nichts trinken kann. Bei den Weckmännern bin ich besser aufgehoben, hihi.
Herzlich willkommen, Marina! Ich find’s supi, dass außer mir noch jemand schwanger ist. Weißt du denn schon, was es wird? Bei mir wahrscheinlich – hoffentlich!!!!!! – ein Mädchen.
Mami Kugelbauch Ellen
24. Oktober
Du hast Recht, Ellen, es dauert noch ein bisschen bis Sankt Martin, aber um eine richtig hübsche Laterne zu basteln, braucht es eben Zeit, wenn man Kinderaugen zum Strahlen bringen will. Mir tun jetzt schon alle Kinder leid, die mit einer gekauften Laterne herumlaufen müssen. Oder mit einer vom Vorjahr.
Habe elf verschiedene Glühweinsorten eingekauft, für eine müssen wir uns entscheiden. Freue mich, dass sich so viele zum Testtrinken angeboten haben.
Mami Gitti
24. Oktober
Schon gut, schon gut, den Wink mit dem Zaunpfahl habe ich verstanden, Gitti. Folgendes Angebot: Während ich den Glühwein testtrinke, bastelst du unsere Laternen, einverstanden? Ich habe bekannterweise auch nüchtern zwei linke Hände – aber dafür mache ich Karriere und kann jemanden bezahlen, der meine Scheiß-Geschirrtücher bügelt und meinen Scheiß-Mann vögelt. Schrieb ich schon, dass die neue Haushälterin großartig ist? Ich dachte ja, sie wäre zu alt und zu hässlich für meinen Mann, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Mache übrigens gerade Testtrinken mit Gin und Aperol. Glaube, Gin gewinnt.
Sabine
PS: Herzlich willkommen auch von mir, Marina. Bin gespannt, wie lange du deinen Scheiß-Doppelnamen noch trägst.
Kerstin Gier
Man lernt nie aus
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich fand es großartig, dass Anton sich auf das Baby freute. Sie hätten mal sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm sagte, dass ich schwanger bin – kein Oscargewinner hat jemals glücklicher ausgesehen. Es war so nett, dass er nicht »Oh! Wie konnte denn das passieren?« fragte (wie mein erster Mann bei unserem ersten Kind) oder »Oh – bitte sag, dass das ein Scherz ist!« (derselbe Mann beim zweiten Kind). Doch, wirklich, ich wusste Antons Freude zu schätzen. Und seine Fürsorge. Jeden Abend musste, äh, durfte ich die Beine hochlegen, ich bekam die Füße und den Nacken massiert und überhaupt jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Aber das hier – das ging zu weit.
»Ich brauche keinen Geburtsvorbereitungskurs, Anton!«, hatte ich gesagt, als er mir stolz die Anmeldung unter die Nase hielt. »Ich habe doch schon zwei Kinder bekommen und weiß, dass man darauf nicht vorbereitet werden kann!«
Anton hatte sehr enttäuscht ausgesehen, und es hatte ein paar Tage gedauert, bis ich begriffen hatte, dass er nicht mir mit diesem Kurs einen Gefallen tun wollte, sondern der Meinung war, ihn selbst zu benötigen. Offenbar hatte ihn seine Exfrau von den Vorbereitungen für die Geburten seiner Töchter völlig ausgeschlossen. Beides waren Kaiserschnitte unter Vollnarkose gewesen, und Anton hatte nicht mal die Nabelschnur durchschneiden dürfen. »Dieses Mal möchte ich alles richtig machen!«, sagte er. Ich versicherte ihm, dass es völlig ausreichen würde, wenn er bei der Geburt dabei sei, meine Hand hielte und ab und zu vielleicht lobte, wie tapfer ich sei. Alles andere, sagte ich, sei vollkommen überflüssig. Aber Anton zeigte sich uneinsichtig. Er wollte partout das volle Programm: im Kreis sitzen und über seine Gefühle sprechen, die Vor- und Nachteile von ätherischen Ölen und Duftlampen während des Geburtsprozesses erörtern, einen Baum umarmen,
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