Foundation 05: Das Foundation-Projekt
was passiert ist,
Yugo«, sagte Seldon. »Wanda hat deine Gedanken
gelesen.«
Amaryl fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen. »Das ist
unmöglich!«
Seldon sagte langsam: »Ich habe einmal jemanden gekannt, der
über derart außergewöhnliche Geisteskräfte
verfügte« – er dachte voll Wehmut an Eto Demerzel oder
Daneel, wie er ihn insgeheim nannte – »allerdings war
dieser Jemand mehr als ein Mensch. Doch seine Fähigkeit,
Gedanken zu lesen, zu erspüren, was in den Köpfen anderer
vorging, sie zu einem ganz bestimmten Verhalten zu bewegen – das
war eine psychische Fähigkeit. Und ich halte es für
möglich, daß auch Wanda über die Veranlagung dazu
verfügen könnte.«
»Das glaube ich nicht«, beharrte Amaryl
störrisch.
»Ich schon«, sagte Seldon, »aber ich weiß
nicht, was ich damit anfangen soll.« Ganz schwach ahnte er die
ersten Regungen einer Revolution in der psychohistorischen Forschung
– aber mehr als eine schwache Ahnung war es vorerst nicht.
5
»Dad«, sagte Raych besorgt. »Du siehst müde
aus.«
»Das mag schon sein«, sagte Hari Seldon. »Ich
fühle mich auch so. Aber wie geht es dir?«
Raych war mittlerweile vierundvierzig, in seinem Haar zeigten sich
die ersten grauen Fäden, aber sein Schnauzbart war immer noch
schwarz und dicht und verlieh ihm ein sehr dahlitisches Aussehen.
Seldon hatte manchmal den Verdacht, daß er ihn färbte,
aber danach zu fragen wäre sicher zu indiskret gewesen.
»Hast du deine Vortragsreisen fürs erste beendet?«
erkundigte er sich statt dessen.
»Fürs erste ja. Aber bald geht’s wieder los. Ich
bin froh, wieder zu Hause zu sein und das Baby, Manella und Wanda um
mich zu haben – und dich natürlich, Dad.«
»Vielen Dank. Ich habe übrigens Neuigkeiten für
dich, Raych. Mit den Vorträgen ist Schluß. Ich brauche
dich hier.«
Raych sah ihn stirnrunzelnd an. »Wozu?« Zweimal hatte
Seldon ihn bereits auf schwierige Missionen geschickt, aber das war
zu Zeiten der Joranumitengefahr gewesen, und die war längst
gebannt. Seither, insbesondere seit dem Sturz der Junta und der
Wiedereinsetzung eines – wenn auch etwas farblosen –
Kaisers, war seines Wissens alles ruhig.
»Es geht um Wanda«, sagte Seldon.
»Wanda? Was ist denn los mit ihr?«
»Alles in Ordnung, aber wir werden ein vollständiges
Genom für sie erstellen müssen – genau wie für
dich und Manella – und irgendwann auch für das
Baby.«
»Für Bellis? Was geht hier eigentlich vor?«
Seldon zögerte. »Raych, du weißt, daß deine
Mutter und ich immer der Meinung waren, du hättest etwas an dir,
was dich liebenswert macht, etwas, das in anderen Menschen Zuneigung
und Vertrauen erweckt.«
»Ich weiß. Du hast es mir oft genug gesagt, wenn du mir
irgendeine schwierige Aufgabe zuschanzen wolltest. Aber ich will ganz
ehrlich sein. Ich selbst habe nie etwas davon bemerkt.«
»Nein, aber du hast mich rumgekriegt, mich und… und
Dors.« (Es fiel ihm schwer, den Namen auszusprechen, obwohl seit
ihrer Zerstörung bereits vier Jahre vergangen waren.) »Du
hast Rashelle von Wye rumgekriegt. Du hast Jo-Jo Joranum rumgekriegt.
Du hast Manella rumgekriegt. Wie erklärst du dir das
alles?«
»Intelligenz und Charme«, erklärte Raych
grinsend.
»Hast du dir schon einmal überlegt, daß du mit
ihrem – unserem – Bewußtsein in Kontakt gewesen sein
könntest?«
»Nein, darauf wäre ich nie gekommen. Und ich halte es
auch jetzt für lächerlich, Dad. – Mit allem schuldigen
Respekt natürlich.«
»Und wenn ich dir nun sagte, Wanda hätte in einem
kritischen Moment Yugos Gedanken gelesen?«
»Dann würde ich antworten: Zufall oder
Einbildung.«
»Raych, ich kannte jemanden, der das Bewußtsein anderer
Menschen so mühelos beeinflussen konnte wie du und ich ein
Gespräch.«
»Wer war das?«
»Ich kann nicht von ihm sprechen. Du mußt mir einfach
glauben.«
»Nun ja…« Raych war skeptisch.
»Ich habe in der Galaktischen Bibliothek über diese
Themen nachgelesen. Es gibt da eine merkwürdige Geschichte, die
etwa zwanzigtausend Jahre alt ist, also in die nebelhaften
Anfangszeiten der Hyperraumfahrt zurückreicht. Sie handelt von
einer jungen Frau, kaum älter als Wanda, und diese junge Frau
konnte angeblich mit einem ganzen Planeten in Verbindung treten, der
eine Sonne namens Nemesis umkreiste.«
»Bestimmt ein Märchen.«
»Bestimmt. Und außerdem nur in Bruchstücken
überliefert. Aber die Ähnlichkeiten mit Wanda sind
verblüffend.«
»Dad, was hast du vor?«
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