Foundation 05: Das Foundation-Projekt
Psychohistorik verfälschte? Um mit der Psychohistorik richtig umzugehen, sollte man im Idealfall über Welten und Bezirken stehen und die Menschheit nur als gesichtslose Masse betrachten – genau wie Amaryl es tat.
Und er selbst eben nicht, das mußte er sich mit einem stummen Seufzer eingestehen.
»Hari, ich glaube, wir machen tatsächlich Fortschritte«, sagte Amaryl.
»Du glaubst, Yugo? Mehr nicht?«
»Ich will nicht ohne Raumanzug ins All springen.« Das sagte er in vollem Ernst (er hatte nicht besonders viel Humor, das wußte Seldon), und dann gingen sie in ihr Privatbüro, das klein, aber dafür gut abgeschirmt war.
Amaryl setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Es sieht so aus«, begann er, »als wäre deine neueste Idee zur Umgehung des Chaos halbwegs erfolgreich – auf Kosten der Schärfe natürlich.«
»Natürlich. Was wir auf der Geraden gewinnen, verlieren wir in den Kurven. So funktioniert eben das Universum. Deswegen müssen wir ihm irgendwie ein Schnippchen schlagen.«
»Ein kleines Schnippchen haben wir ihm schon geschlagen. Im Moment versuchen wir sozusagen durch Milchglas zu schauen.«
»Immer noch besser als durch Blei, wie in den letzten Jahren.«
Amaryl murmelte etwas vor sich hin, dann sagte er: »Wir können verschwommene helle und dunkle Flecken unterscheiden.«
»Erklärung!«
»Ich habe keine Erklärung, ich habe nur den Primärradianten, an dem ich geschuftet habe wie ein…«
»Versuch’s mal mit Lamec. Das ist ein Tier auf Helicon – ein Lasttier. Auf Trantor ist es unbekannt.«
»Wenn dein Lamec sich abrackert bis zur Erschöpfung, dann stimmt der Vergleich.«
Amaryl drückte die Schlüsseltaste an seinem Schreibtisch, eine Schublade entriegelte sich und glitt geräuschlos auf, und er nahm einen dunklen Würfel aus undurchsichtigem Material heraus. Seldon betrachtete ihn mit lebhaftem Interesse. Er selbst hatte den Schaltplan für den Primärradianten erarbeitet, aber zusammengesetzt hatte ihn Amaryl – der hatte die geschickteren Hände.
Es wurde dunkel im Raum, und dann flimmerten Gleichungen und Relationen durch die Luft. Darunter, dicht über der Schreibtischplatte, bewegten sich leuchtende Ziffern wie Marionetten an unsichtbaren Fäden.
»Großartig«, lobte Seldon. »Wenn wir lange genug leben, werden wir eines Tages so weit kommen, daß dieser Primärradiant zum Urquell eines Stroms von mathematischen Symbolen wird, der Vergangenheit und Zukunft der Menschheit repräsentiert. In diesem Strom werden wir einzelne Wirbel und Strudel aufspüren, und wir werden lernen, sie so umzuleiten, daß sie einer anderen, uns genehmeren Richtung folgen.«
»Ja«, stimmte Amaryl trocken zu. »Sofern wir auch lernen, mit dem Wissen zu leben, daß alles, was wir in bester Absicht unternehmen, die schlimmsten Folgen haben kann.«
»Glaube mir, Yugo, dieser Gedanke quält mich jeden Abend vor dem Einschlafen. Aber noch sind wir nicht so weit. Momentan haben wir nicht mehr als das – verschwommene helle und dunkle Flecken hinter einer Milchglasscheibe, wie du dich ausdrückst.«
»Ganz richtig.«
»Und was glaubst du zu erkennen, Yugo?« Seldon beobachtete Amaryl genau, mit gnadenlosem Blick. Er hatte Gewicht angesetzt, wirkte fast ein wenig schwammig. Er saß zu lange vor seinen Computern (und jetzt vor dem Primärradianten) – und trieb zu wenig Sport. Hin und wieder war er zwar mit einer Frau zusammen, wie Seldon wußte, aber geheiratet hatte er nie. Ein Fehler! Auch der Arbeitssüchtigste kann nicht umhin, gelegentlich eine Pause einzulegen, wenn seine Partnerin es verlangt oder seine Kinder ihn brauchen.
Seldon dachte an seine eigene, immer noch straffe Figur und an Dors, die alles tat, um sie ihm zu erhalten.
»Was ich erkenne?« fragte Amaryl. »Das Imperium ist in Gefahr.«
»Das Imperium ist immer in Gefahr.«
»Ja, aber etwas mehr ins Detail kann ich schon gehen. Es könnte sein, daß die Gefahr vom Zentrum ausgeht.«
»Von Trantor?«
»Das nehme ich an. Oder von der Peripherie. Entweder braut sich hier eine brisante Situation zusammen – ein Bürgerkrieg vielleicht – oder die abgelegenen Außenwelten machen Anstalten, sich vom Imperium zu lösen.«
»Um das zu erschließen, bräuchte man wohl kaum die Psychohistorik.«
»Interessant ist, daß wir es hier mit einer Entweder-Oder-Relation zu tun haben. Die beiden Möglichkeiten scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit, daß beides zugleich auftritt, ist sehr gering.
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