Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Verfolger
fürchtete um seine eigene Sicherheit, um den Erfolg seiner wie
immer gearteten Mission. Die Tatsache, daß er bewaffnet war,
trat deutlicher in den Vordergrund, als gedenke er, die Waffe
notfalls auch zu gebrauchen.
Schwartz selbst war unbewaffnet und wehrlos. Der Verfolger
würde ihn eher umbringen, als ihn entwischen zu lassen; bei der
ersten, falschen Bewegung würde er zuschlagen. – Und er
konnte niemanden sehen.
Wohl wissend, daß sein Feind dennoch nahe genug war, um ihn
zu töten, ging Schwartz weiter. Er ging mit steifem Rücken,
jederzeit gefaßt – aber worauf? Wie ist es, wenn man
stirbt? – Wie ist es, wenn man stirbt? – Die Frage
begleitete ihn im Takt seiner Schritte, geisterte durch sein Denken,
erschütterte sein Unterbewußtsein, bis er es kaum noch
ertrug.
Der Geist des Verfolgers war seine einzige Rettung, und daran
klammerte er sich. Ein plötzlicher Spannungsanstieg würde
ihm verraten, daß eine Waffe in Anschlag gebracht, ein Abzug
durchgezogen, ein Auslöser gedrückt wurde. In diesem
Augenblick würde er sich zu Boden werfen, würde
losrennen…
Aber wozu die Umstände? Wenn es um die Sechzig ging, warum
hatte man ihn dann nicht sofort getötet?
Die Zeitsprungtheorie trat in den Hintergrund.
Gedächtnisverlust war die bessere Erklärung. Vielleicht war
er ein Verbrecher – ein gefährlicher Mensch, der
überwacht werden mußte. Vielleicht war er ein hoher
Beamter gewesen, den man nicht einfach töten konnte, sondern vor
Gericht zu stellen hatte. Vielleicht flüchtete sich sein
Unterbewußtsein nur in die Amnesie, um sich nicht eingestehen
zu brauchen, daß er eine ungeheure Schuld auf sich geladen
hatte.
Und so ging er weiter die leere Straße entlang, den Tod im
Nacken, einem ungewissen Ziel entgegen.
Allmählich wurde es dunkel, und der abflauende Wind war
frisch. Die Temperatur paßte wie üblich nicht zur
Jahreszeit. Schwartz’ Schätzung nach war es Dezember, was
dadurch bestätigt wurde, daß um vier Uhr dreißig
bereits die Sonne unterging, aber der Wind war für einen Winter
im Mittelwesten nicht eisig genug.
Schwartz war schon vor längerer Zeit zu der Ansicht gelangt,
das Klima dieses Planeten (der Erde?) sei nur deshalb so mild, weil
die Sonne nicht der einzige Wärmespender sei. Auch das
radioaktive Erdreich strahle Wärme ab, an sich in
geringfügigen Mengen, die sich aber auf Millionen von
Quadratkilometern ganz beachtlich summierten.
Der Geistesfinger des Verfolgers kam noch näher. Immer noch
wachsam, immer noch lauernd. Die Dunkelheit erschwerte die
Verfolgung. Auch damals – als Schwartz dem Leuchten zustrebte
– war der Mann ihm in der Nacht gefolgt. Hatte er Angst, das
Risiko noch einmal einzugehen?
»He! He, Sie da…«
Eine hohe, näselnde Stimme. Schwartz erstarrte.
Steif drehte er sich um. Die Gestalt, die auf ihn zukam, war klein
und winkte mit der Hand, mehr konnte er im Halbdunkel nicht erkennen.
Der andere ließ sich viel Zeit. Schwartz wartete.
»He, Mann. Bin ich froh, daß ich Sie treffe. Wer stapft
schon gerne mutterseelenallein durch die Gegend? Sie haben doch
nichts dagegen, wenn ich mich anschließe?«
»Hallo«, sagte Schwartz tonlos. Es war der richtige
Geistesfinger. Der Mann war sein Verfolger. Und das Gesicht hatte er
schon gesehen, damals, in Chica, in jener Zeit, an die er sich nur
verschwommen erinnerte.
Der andere lieferte ihm prompt die Bestätigung. »He, Sie
kenne ich doch. Natürlich! – Erinnern Sie sich nicht
mehr?«
Schwartz konnte nicht sagen, ob er dem Mann unter normalen
Umständen, zu einer anderen Zeit Glauben geschenkt hatte. Aber
wie hatte er jetzt übersehen können, wie durchsichtig und
fadenscheinig die künstliche Überraschung war, die die
tieferen Schichten des Bewußtseins verdecken sollte. Und was
darunterlag, schrie ihm geradezu ins Gesicht, der kleine Mann mit den
stechenden Augen habe von Anfang an gewußt, wer er war. Er habe
es gewußt und halte eine Waffe bereit, um ihn zu töten,
wenn es nicht anders ging.
Schwartz schüttelte den Kopf.
»Aber sicher«, beharrte der Kleine. »Es war in
diesem Kaufhaus. Ich hab Sie vor dem wütenden Mob
gerettet.« Er schüttelte sich vor Lachen. »Die dachten
alle, Sie haben Strahlenfieber. Erinnern Sie sich jetzt?«
Schwartz erinnerte sich tatsächlich – schwach und
undeutlich. Er war ein paar Minuten lang neben einem Mann wie diesem
hergegangen, und die Menge hatte sie zuerst aufgehalten und dann eine
Gasse gebildet.
»Ja«, sagte er.
Weitere Kostenlose Bücher