Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
nachsichtig. »Ich bin doch erst einen Monat hier.«
Seufzend griff Jencus nach seinem Taschentuch. »Ach ja, unser alter Schultheiß, das war’n braver Mann. So lang wie wir den hatten, isses uns immer gut gegangen. Ich bin fast sechzig Jahre im Dorf und hab den Burschen noch nie geseh’n. Der muß von anderswo sein.«
Jencus war wohlbeleibt und schien schon so zur Welt gekommen zu sein, eine natürliche Veranlagung also, die noch dadurch verstärkt wurde, daß er seine Tätigkeit überwiegend im Sitzen ausübte. So war es nicht verwunderlich, wenn er stets schon nach wenigen Worten in Atemnot geriet und sich ständig mit einem riesigen, roten Taschentuch über die glänzende Stirn fuhr, ohne damit viel auszurichten.
»Was ich den Gendarmen sagen soll, weiß ich nich’ so recht«, keuchte er auch jetzt.
Und die Gendarmen kamen, das war nicht zu vermeiden. Die Jungen erzählten ihren Eltern von dem Fund; die Eltern besprachen ihn untereinander. Das Leben auf dem Dorf war so eintönig, daß ein solcher Vorfall genügend Aufsehen erregte, um von allen nur denkbaren Informationsträgern an alle nur denkbaren Informationsempfänger weitergegeben zu werden. Und so blieb es nicht aus, daß auch die Gendarmen davon erfuhren.
Als ›Gendarmen‹ bezeichnete man die Angehörigen der florinischen Polizei. Sie waren weder gebürtige Floriner, noch Landsleute der ›Herren‹ vom Planeten Sark, sondern schlicht und einfach Söldner. Folglich hatten sie keinerlei verwandtschaftliche Bindungen, sorgten zuverlässig für Ordnung und waren nicht in Gefahr, etwa unerwünschte Sympathien für die Floriner zu entwickeln.
Sie kamen zu zweit und wurden von einem Vorarbeiter aus der Fabrik begleitet, dessen Auftreten der Würde seines Pöstchens mehr als gerecht wurde.
Die Gendarmen zeigten sich unübersehbar gelangweilt. Dieser arme Idiot mochte ja in ihre Zuständigkeit fallen, aber das hieß noch lange nicht, daß sie ihn besonders aufregend finden mußten. Einer fragte den Vorarbeiter: »Wie lange braucht ihr wohl, um seine Identität festzustellen? Wer ist dieser Mann?«
Der Vorarbeiter schüttelte energisch den Kopf. »Ich hab ihn nie gesehen, Wachtmeister. Der stammt nicht aus dieser Gegend!«
Der Gendarm wandte sich an Jencus. »Hatte er Papiere bei sich?«
»Nein, Wachtmeister. Er war nur in einen alten Lumpen gewickelt, und den hab ich verbrannt, wegen der Infektionsgefahr.«
»Was fehlt ihm?«
»Der Verstand, wenn ’Se mich fragen.«
An dieser Stelle nahm Terens die Gendarmen beiseite. Aus lauter Langeweile gingen sie auf seinen Vorschlag ein. Der Gendarm, der die Fragen gestellt hatte, klappte sein Notizbuch zu und sagte: »Na schön, lohnt nicht einmal ein Protokoll. Die ganze Sache geht uns nichts an. Sehen Sie zu, wie Sie ihn wieder loswerden.«
Damit gingen sie.
Der Vorarbeiter, ein sommersprossiger Mann mit rotem Haar und einem dichten, stachligen Schnurrbart, blieb zurück. Er war seit fünf Jahren Vorarbeiter, und er war ein Mann von Prinzipien, was bedeutete, daß ihn die Verantwortung für die Erfüllung des Plansolls in seiner Fabrik schier erdrückte.
»Hören Sie«, zeterte er, »das kann doch so nicht weitergehen. Die Leute sind den ganzen Tag mit Schwatzen beschäftigt, und die Arbeit bleibt liegen.«
»Wenn ihr mich fragt, dann schickt ihr ihn in die Stadt ins Spital«, sagte Jencus, der fleißig sein Taschentuch gebrauchte. »Ich kann ihm nicht helfen.«
»In die Stadt!« Der Vorarbeiter war entsetzt. »Und wer soll das bezahlen? Wer kommt für die Kosten auf? Er ist doch keiner von uns, oder?«
»Soviel ich weiß, nicht«, gab Jencus zu.
»Warum sollen dann wir bezahlen? Findet doch erst mal raus, wo er hingehört. Dann kann sein Dorf für ihn bluten.«
»Und wie soll’n wir das rausfinden? Kannst du mir das verraten?«
Der Vorarbeiter überlegte. Seine Zungenspitze kam zum Vorschein und huschte über den struppigen, roten Urwald auf seiner Oberlippe. »Wir müssen ihn eben wieder loswerden«, meinte er schließlich. »Wie der Gendarm gesagt hat.«
»Und wie meinst du das?« unterbrach ihn Terens.
»Er könnte genauso gut tot sein«, antwortete der Vorarbeiter. »Man tat ihm nur ’nen Gefallen.«
»Aber er lebt noch, du kannst ihn nicht umbringen«, sagte Terens.
»Dann sagen Sie uns doch, was wir mit ihm anfangen sollen.«
»Kann sich nicht jemand aus dem Dorf um ihn kümmern?«
»Und wer, bitteschön? Sie vielleicht?«
Das war mehr als unverschämt, aber Terens tat so, als
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