Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
»Ich habe keine andere Wahl. Gesetz ist Gesetz.«
Sie hatte Rik verzweifelt an sich gedrückt und war schweren Herzens und wie blind mit ihm ins Dorf zurückgefahren.
Eine Woche darauf wurde in den Hypervideo-Nachrichten gemeldet, durch das kurzzeitige Versagen eines örtlichen Leitstrahls sei es zu einem Gyrounfall gekommen, bei dem ein Arzt getötet worden sei. Der Name kam ihr bekannt vor, und noch am gleichen Abend verglich sie ihn in ihrem Zimmer mit dem Namen auf dem Stück Papier. Die beiden waren identisch.
Sie war traurig, der ›Herren‹-Arzt war ein guter Mensch gewesen. Ein Mitarbeiter hatte ihr vor langer Zeit den Zettel mit seinem Namen zugesteckt und ihr gesagt, dieser Doktor habe ein Herz für die Fabrikarbeiter. Sie hatte sich den Fetzen für Notfälle aufgehoben, und als sie in Not war, hatte der Arzt sich tatsächlich sehr anständig verhalten. Dennoch überwog nun die Freude. Er hatte keine Zeit mehr gehabt, Rik den Behörden zu melden. Jedenfalls kam nie jemand ins Dorf, um Erkundigungen einzuziehen.
Später, als Rik vernünftiger war, hatte sie ihm erzählt, was der Arzt ihr gesagt hatte, um zu erreichen, daß er im Dorf blieb, wo ihm nichts geschehen konnte.
Rik schüttelte sie und riß sie damit jäh aus ihren Gedanken.
»Hörst du nicht?« sagte er. »Wie kann ich ein Verbrecher gewesen sein, wenn ich einen wichtigen Posten hatte?«
»Könntest du nicht trotzdem ein Unrecht begangen haben?« fragte sie schüchtern. »Selbst wenn du ein großer Mann gewesen wärst? Sogar die ›Herren‹…«
»Ich bin mir ganz sicher. Aber ich muß mehr wissen, um auch anderen diese Gewißheit zu geben, das siehst du doch ein? Es ist die einzige Möglichkeit. Ich muß die Fabrik und das Dorf verlassen, um herauszufinden, was mit mir geschehen ist.«
Die Panik drohte sie zu überwältigen. »Rik! Das wäre gefährlich. Und wozu auch? Selbst wenn du Nichts analysiert haben solltest, warum ist es so wichtig, mehr darüber zu erfahren?«
»Weil es noch etwas gibt, woran ich mich erinnere.«
»Und was ist das?«
»Das möchte ich dir nicht sagen«, flüsterte er.
»Du solltest es aber jemandem sagen. Am Ende vergißt du es wieder.«
Er ergriff ihren Arm. »Du hast recht. Versprichst du mir, sonst mit keinem Menschen darüber zu sprechen, Lona? Du bist jetzt mein zweites Gedächtnis, für den Fall, daß ich das erste wieder verliere.«
»Klar, Rik.«
Rik sah sich um. Die Welt war so wunderschön. Valona hatte ihm einmal erzählt, in der Oberen Stadt, ja, viele Meilen darüber hänge ein riesiges, leuchtendes Schild mit der Aufschrift:
Von allen Planeten in der Galaxis
ist Florina der schönste.
Und wenn er sich so umsah, glaubte er das sofort.
»Es ist eine schlimme Erinnerung«, sagte er, »aber wenn ich mich an etwas erinnere, ist es immer wahr. Es kam mir heute nachmittag.«
»Ja?«
In seinen Augen stand das nackte Grauen. »Florina muß sterben, die ganze Welt, mit allen, die auf ihr leben.«
2
DER SCHULTHEISS
Myrlyn Terens war eben im Begriff, sich einen Buchfilm aus dem Regal zu holen, als das Türsignal ertönte. Sofort verschwand der gedankenverlorene Ausdruck aus seinem etwas schwammigen Gesicht und wurde durch die Maske verbindlicher Zurückhaltung ersetzt, die er üblicherweise zur Schau trug. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein schütteres, rötliches Haar und rief: »Einen Augenblick bitte.«
Dann stellte er den Film zurück und drückte auf einen Knopf. Die Abdeckplatte schob sich wieder vor das Regal, so daß nur noch die glatte Wand zu sehen war. Die einfachen Fabrik- und Feldarbeiter, mit denen er zu tun hatte, waren zwar durchaus stolz darauf, wenn jemand, der zumindest als einer der ihren geboren war, solche Filme besaß, denn etwas vom Glanz dieses Glücklichen strahlte auch in die tiefe Finsternis ihres eigenen Daseins. Dennoch ging es nicht an, daß er seinen Besitz offen zeigte.
Schon der Anblick hätte alles verdorben und die ohnehin nicht sehr beredten Zungen vollends verstummen lassen. Die einfachen Leute mochten sich einiges zugute tun auf die Bücher ihres Schultheißen, dennoch wäre ihnen Terens allzu sehr als ›Herr‹ erschienen, wenn er sie tatsächlich damit konfrontiert hätte.
Andererseits mußte er auch an die echten ›Herren‹ denken, auch wenn nicht damit zu rechnen war, daß einer von ihnen jemals als einfacher Besucher durch diese Tür treten würde. Sollte es aber doch einmal dazu kommen, so wäre es nicht ratsam,
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