Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
ist wirklich höchste Zeit, daß wir mit dem Unsinn aufhören. Wir reden immer von unseren ›besonderen‹ Institutionen, aber die sind gar nichts Besonderes, die haben ganz einfach einen Knall! Wenn ihr mich fragt…«
Er war vor Zorn rot angelaufen und fuchtelte hektisch mit den Armen in der Luft herum.
Arbin war aufgestanden und hatte den Alten mit festem Griff an der Schulter gepackt. »Kein Grund zur Aufregung, Grew«, sagte er gelassen. »Wenn du mit der Zeitung fertig bist, werd ich den Leitartikel lesen.«
»Sicher, aber was nützt mir das? Du bist bestimmt der gleichen Meinung. Ihr jungen Leute seid doch alles Schlappschwänze; wie Schaumgummi in den Händen der Ahnen.«
»Das reicht, Vater«, fuhr Loa scharf dazwischen. »Fang nicht wieder damit an.« Sie lauschte einen Moment lang, ohne genau sagen zu können, worauf, aber…
Arbin überlief ein kalter Schauer, wie immer, wenn die ›Gesellschaft der Ahnen‹ erwähnt wurde. Grews Gerede war gefährlich, sein Spott über die uralte Kultur der Erde, sein… sein…
Ja, sein krasser Assimilationismus. Bei dem Gedanken mußte er tatsächlich schlucken; auch wenn man es nicht laut aussprach, war es ein häßliches Wort.
Als Grew noch jung war, hatte natürlich alle Welt die törichte Meinung vertreten, man müsse die alten Sitten ablegen, aber heute waren die Zeiten anders. Das sollte auch Grew wissen – und vermutlich wußte er es auch, aber es war eben nicht leicht, ausgeglichen und vernünftig zu sein, wenn man an einen Rollstuhl gefesselt war und nur noch auf den nächsten Zensus warten konnte.
Grew ließ sich von dieser Stimmung vielleicht noch am wenigsten anstecken, aber er sagte nichts mehr. Er wurde zusehends ruhiger, die Schrift verschwamm ihm immer mehr vor den Augen. Er war noch nicht einmal dazu gekommen, sich ausgiebig und kritisch mit der Sportseite auseinanderzusetzen, als ihm das Kinn unaufhaltsam auf die Brust sank und er leise zu schnarchen begann. Mit einem letzten, diesmal unbeabsichtigten Rascheln entglitt die Zeitung seinen Fingern.
Loa zischte besorgt: »Vielleicht sind wir tatsächlich zu hart zu ihm, Arbin. Für einen Mann wie Vater ist es ein schweres Schicksal. Verglichen mit seinem früheren Leben konnte er genauso gut tot sein.«
»Nichts ist so schlimm wie der Tod, Loa. Er hat seine Zeitungen und seine Bücher. Laß ihn nur! Es bringt ihn in Schwung, sich hin und wieder ein bißchen aufzuregen. Jetzt ist er sicher wieder tagelang glücklich und zufrieden.«
Arbin wandte sich abermals seinen Karten zu und wollte gerade ziehen, als jemand heftig an die Tür hämmerte und heisere Schreie ausstieß, die sich nicht so recht zu Worten zusammenfügen wollten.
Arbins Hand stockte mitten in der Bewegung. Loa riß erschrocken die Augen auf, und ihre Unterlippe begann zu zittern.
»Bring Grew hinaus«, befahl Arbin. »Rasch!«
Loa war schon am Rollstuhl und schnalzte leise mit der Zunge, um den Alten nicht zu erschrecken.
Doch schon die erste Berührung des Stuhls riß Grew aus dem Schlaf. Keuchend richtete er sich auf und tastete automatisch nach seiner Zeitung.
»Was ist los?« fragte er gereizt und viel zu laut.
»Pst. Alles in Ordnung«, murmelte Loa unbestimmt und schob den Rollstuhl in den Nebenraum. Dann schloß sie die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ihre schmale Brust hob und senkte sich krampfhaft, ängstlich suchte sie den Blick ihres Gatten. Wieder wurde an die Tür geschlagen.
Sie stellten sich dicht hintereinander, als wollten sie eine Mauer bilden, und öffneten. Dem kleinen, dicken Mann, der ihnen unsicher zulächelte, schlug eine Welle fast greifbarer Feindseligkeit entgegen.
»Was können wir für Sie tun?« fragte Loa steif und förmlich und zuckte erschrocken zurück, als der Mann nach Luft rang und die Hand ausstreckte, um nicht umzufallen.
»Ist er krank?« fragte Arbin verstört. »Komm, hilf mir, wir bringen ihn ins Haus.«
Stunden später waren Loa und Arbin endlich allein in ihrem Schlafzimmer und machten sich für die Nacht fertig.
»Arbin«, sagte Loa.
»Was ist?«
»Können wir es wirklich riskieren?«
»Riskieren?« Er schien sie bewußt mißverstehen zu wollen.
»Den Mann ins Haus zu nehmen, meine ich. Wer ist er überhaupt?«
»Woher soll ich das wissen?« kam es gereizt zurück. »Aber wir können einen Kranken doch nicht draußen stehen lassen. Wenn er keine Papiere bei sich hat, melden wir ihn morgen der Örtlichen Sicherheitsbehörde, und damit ist der Fall für
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