Frag Nicht - Kuess Mich
der sich unter dem eleganten Anzug verbarg. Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt und niemals wieder losgelassen.
Offenbar bemerkte Alessandro nichts von ihrem Gefühlschaos, denn er blieb kühl und höflich, aber eindeutig abweisend. „Ja?“, fragte er und blickte sie mit seinen attraktiven dunklen Augen an. „Kann ich irgendwie helfen?“
Unwillkürlich kam Lara näher, um ihn zu berühren. Doch er wich zurück. „Du … du erinnerst dich doch an mich, oder? Ich bin Lara.“
Doch ihm war nicht anzusehen, was in ihm vorging. „Ja, ich erinnere mich dunkel. Haben wir uns nicht auf der Internationalen Buchmesse in Sydney getroffen?“ Mit undurchdringlicher Miene musterte er sie, bevor er einen Blick auf seine Armbanduhr warf. „Kann ich irgendetwas tun?“
Fassungslos sah sie ihn an. Dann riss sie sich wieder zusammen. „Nein, schon gut. Ich wollte nur Hallo sagen.“
Alessandro sah streng auf sie herab. „Ich habe wirklich keine Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen. Das verstehen Sie doch, oder? Wir stehen unter großem Zeitdruck. Wenn Sie sonst also nichts auf dem Herzen haben …“
Ein eisiger Schauer lief Lara über den Rücken, doch sie ließ es sich nicht anmerken.
„Nein, es gibt nichts Besonderes“, sagte sie und senkte verlegen den Blick. „Tut mir leid, dass ich bei der Arbeit gestört habe.“
Es gelang ihr, kühl zu lächeln, als sie das Büro verließ. Doch ihre Augen schmerzten. In ihrem ganzen Leben war sie sich noch nie so blöd vorgekommen.
Im Waschraum kühlte sie sich das Gesicht, bis es nicht mehr wie Feuer brannte. Erst jetzt fiel ihr ein, was sie alles zu Alessandro hätte sagen können.
Wieso kommst du erst jetzt?
Hallo, Dad.
Oder: Es gibt da jemanden, der dich gerne kennenlernen möchte.
Zur gleichen Zeit in seinem Büro kehrte Alessandro an seinen Schreibtisch zurück und griff nach der Kandidatenliste für den Geschäftsführerposten, ohne auch nur einen Namen zu lesen. Sein Blutdruck war massiv angestiegen.
Was bildete Lara sich eigentlich ein, einfach in sein Büro zu platzen und seine Freundschaft einzufordern? Die Abfuhr hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Aber wieso hatte sie ihn so angesehen?
Sein Körper hatte sofort auf sie reagiert. Sie ist nur eine ganz gewöhnliche Blondine, redete Alessandro sich ein. Die Welt war voll von hübschen Blondinen.
Hätte er ihr doch nur nicht in die Augen gesehen!
Wütend ließ er die Liste auf den Schreibtisch fallen und griff nach dem Telefon, das in diesem Moment zu klingeln begann. Am liebsten hätte er es vom Schreibtisch gefegt. Doch er beherrschte sich, hob den Hörer ab und ließ ihn sachte wieder auf die Gabel fallen.
Lara hat es nicht anders verdient, redete er sich immer wieder zornig ein.
2. KAPITEL
In Laras Büro machten die Mitarbeiter ihrem Ärger Luft.
„‚Wir sind gnadenlos, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden.‘ Habt ihr das gehört? So ein scharfer Hund!“
„Wie kann ein so heißer Mann von derartiger Kälte sein?“
„Heißblütig, grausam und gnadenlos. Ihr müsst euch nur seinen Mund ansehen.“ Die Kollegin am Schreibtisch nebenan schloss verträumt die Augen. „Dieser Mund …“
Stumm ließ Lara die Kommentare über sich ergehen und versuchte, sich mit diesem neuen, kühlen und praktisch veranlagten Alessandro abzufinden, der nichts mehr für sie empfand. Noch immer stand sie unter Schock. Die freundliche, aber dennoch grausame Abfuhr konnte sie nicht so schnell wegstecken. Und die Kommentare ihrer Kollegen schmerzten auch.
Die Cheflektorin Kirsten sah die Situation gelassen. „Damit war zu rechnen. Scala ist nicht gerade ein Wohltätigkeitsverein. Bei denen geht es nur um den Gewinn. Aber eine Veränderung tut uns wahrscheinlich ganz gut. Und ich denke, wir sind alle imstande, unseren Arbeitsplatz zu verteidigen, oder?“ Aufmunternd zwinkerte sie den Kollegen zu. „Außerdem will der Typ vermutlich so schnell wie möglich wieder zurück in die Zivilisation und ernennt umgehend den neuen Geschäftsführer. Der macht sich bestimmt nicht die Mühe, unseren Charme zu entdecken. Den sind wir im Handumdrehen wieder los.“ Sie schnipste mit den Fingern.
Lara versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Was die Kollegen wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass Alessandro ihrem Charme immerhin schon einmal erlegen war. Damals, im Seasons Hotel. Die Suite dort war ihr bis heute heilig.
Niemals würde sie den letzten gemeinsamen Nachmittag mit Alessandro vergessen.
Aus
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