Frag Nicht - Kuess Mich
einen Pakt schließen, Alessandro. Wie in dem Film mit Cary Grant und Deborah Kerr. Hast du ‚Die große Liebe meines Lebens‘ gesehen?“
Wie sich zeigte, kannte er den Filmklassiker nicht. Und er hielt auch nichts von einer Zeit der Trennung. Alessandro wirkte plötzlich sehr distanziert. Offenbar fühlte er sich in seinem Stolz verletzt. Aber er konnte auch nicht verlangen, dass sie hier alles stehen und liegen ließ, um mit ihm nach Amerika zu gehen.
Da ihm Laras unnachgiebige Haltung bewusst war, ließ sich Alessandro schließlich doch widerstrebend auf den Liebestest ein.
Während der Zeit, die Lara mit ihm verbracht hatte, war es ihr kaum gelungen, einmal zu Atem zu kommen. Deshalb war ihr eine Bedenkzeit so wichtig. Also schlug sie vor, sich sechs Wochen später oben auf dem Centrepoint Tower in Sydney zu treffen. Der Treffpunkt war zwar nicht so romantisch wie das Empire State Building in New York. Aber das kümmerte Lara nicht, solange Alessandro dort auch wirklich zum verabredeten Zeitpunkt erscheinen würde.
Leider hatte das Treffen nie stattgefunden.
Selbst wenn Lara an diesem schicksalhaften Mittwochnachmittag um vier Uhr dort erschienen wäre, hätte sie vergeblich auf Alessandro gewartet. Denn inzwischen musste sie erfahren, dass seine Verlobte in Italien Hochzeitsvorbereitungen traf, während er sich mit ihr, Lara, in Sydney vergnügt hatte.
Diese Information hatte Lara sehr getroffen. Vermutlich war Alessandro nur auf den Pakt eingegangen, um den Schein zu wahren.
Doch von Zeit zu Zeit überkam Lara noch heute das ungute Gefühl, er könnte doch von New York nach Sydney geflogen sein. Wenn dem tatsächlich so gewesen war, dann hatte er diese lange Reise auf sich genommen, nur um dann von ihr versetzt zu werden. Aber wenn ihr dieser erschreckende Gedanke kam, schob sie ihn immer schnell wieder beiseite.
Und wenn Lara ehrlich zu sich selbst war: Auch ohne eine Verlobte, die in Italien auf ihn wartete, welcher Mann flog schon von einem Kontinent zum anderen, nur um einige Tage mit seinem Ferienflirt zu verbringen?
So jedenfalls hatte Lara versucht, sich zu trösten, nachdem sie viele Nächte hindurch geweint hatte. Irgendwann war es ihr endlich gelungen, über ihren Kummer hinwegzukommen. Der Artikel, den sie im Wartezimmer ihres Arztes über Alessandros bevorstehende Hochzeit gelesen hatte, war ihr dabei eine große Hilfe gewesen. Immerhin hatte dieser Mann sie hintergangen und ihr die große Liebe nur vorgespielt! Doch bevor sie das erfahren hatte, war sie blauäugig genug gewesen, um zu glauben, Alessandro würde tatsächlich erscheinen. Sie selbst wäre natürlich zu der Verabredung erschienen, wenn das Schicksal nicht so grausam zugeschlagen hätte.
„Hey, Lara, aufwachen!“
Josh, der Kollege, der ihr gegenübersaß, weckte sie aus ihrem Tagtraum. „Was, meinst du, hat er damit gemeint, als er sagte, wir müssen unsere Freizeit opfern?“, fragte er.
„Keine Ahnung. Das kommt für mich sowieso nicht infrage. Was soll ich denn so lange mit Vivi machen?“
„Du brauchst dir bestimmt keine Sorgen zu machen. Sag ihm einfach, dass du eine kleine Tochter hast, und schau ihn mit deinen großen blauen Augen an. Dann wird er schon weich. Italiener lieben Kinder.“
Etwas in Lara zog sich schmerzhaft zusammen, doch sie ließ es sich nicht anmerken. „Ach? Wer sagt das? Und überhaupt, bestimmt alle Nationen lieben Kinder.“
Josh sah sie ernst an. „Nein, ehrlich. So ein richtiger Italiener legt besonders Wert auf die Familie. Habe ich gerade in einer Zeitschrift gelesen.“
„Dann muss es ja stimmen.“ Lara lachte und wandte sich schnell ab. Auch sie hatte den Artikel gelesen. Italienern war es ein Gräuel, Kinder von einem Elternteil allein aufziehen zu lassen. Außerdem brachten auch die ärmsten Familien große Opfer, um ihre Kinder stets aufs Beste zu kleiden und auszubilden. Das war eine Frage der Familienehre. Und wie würde ein Marchese reagieren, wenn er wüsste, dass sein Kind am anderen Ende der Welt und ohne ihn aufwuchs?
Sollte Lara ihm wirklich von Vivi erzählen? Allein der Gedanke machte ihr Angst. Sechs Jahre waren eine lange Zeit. Und inzwischen hatte sie das Gefühl, den wahren Alessandro gar nicht mehr zu kennen.
Natürlich hatte er ein Recht darauf, zu erfahren, dass er Vater eines Kindes war. Aber was sollte sie tun, wenn er Vivi einfach mit nach Italien nahm? Wie sollte ihre Tochter dort zurechtkommen? Sie war doch erst fünf Jahre alt und kannte bisher
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