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Frag Nicht - Kuess Mich

Frag Nicht - Kuess Mich

Titel: Frag Nicht - Kuess Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Cleary
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1. KAPITEL
    Die paar Minuten Verspätung waren wirklich kein Grund zur Panik. Niemand würde ihr deshalb den Kopf abreißen. Oder?
    Eilig stieg Lara Meadows in der George Street aus dem überheizten Bus. Sie fröstelte in ihrem schwarzen Kostüm und den kniehohen Wildlederstiefeln, als sie an diesem Wintermorgen in Sydney an der Ampel warten musste.
    Ich bin stark, redete sie sich ein. Sie war eine mutige, schöne Frau, die mit jeder Fernsehgöttin mithalten konnte. Die Narbe im Nacken konnte niemand sehen, weil sie von ihrem langen Haar verdeckt wurde.
    Im Verlagswesen kam es ohnehin nicht so sehr auf das Aussehen an, sondern auf Intelligenz und Professionalität. Lara war gut in ihrem Job und nichts und niemand konnte daran etwas ändern.
    Und wieso war sie dann so nervös?
    Alessandro war auch nur ein Mann – wenn auch ein sehr mächtiger. Vor sechs Jahren war das noch nicht so gewesen. Damals hatte er allerdings noch keine Macht ausgeübt. Sie hatte ihn als unglaublich amüsant, weltmännisch und charmant erlebt. Sah man einmal von seinem dichten schwarzen Haar, den dunklen Augen, die stets zu lächeln schienen, dem sinnlichen Mund, der verführerisch tiefen Stimme und der breiten Brust ab, was blieb dann noch übrig? Aber wieso zitterten Lara dann die Knie? Sie hatte sich schließlich nichts vorzuwerfen – im Gegensatz zu ihm.
    Energisch betrat Lara das Stiletto – Gebäude und lief zum Aufzug. Ihre Etage schien verlassen zu sein. Offensichtlich waren alle Mitarbeiter bereits im Konferenzraum versammelt, um den neuen Chef vom anderen Ende der Welt mit Pünktlichkeit zu beeindrucken.
    Mit anderen Worten: Alessandro zu beeindrucken.
    Lara atmete tief durch. Eigentlich hatte sie viel früher hier sein wollen, aber es dauerte eben seine Zeit, Zöpfe zu flechten. Vivi hatte diesen Morgen darauf bestanden. Der Schulweg dauerte auch länger als sonst. Aber es war schier unmöglich, eine Fünfjährige zur Eile anzutreiben, die sich für alle Kreaturen interessierte, die zu dieser Uhrzeit unterwegs waren.
    Aber Alessandro war gerecht und stets gelassen. Warum sollte Lara sich also vor ihm als Chef fürchten?
    Vielleicht, weil sie versäumt hatte, ihm etwas sehr Wichtiges mitzuteilen?
    Alessandro Vincenti ließ sich von seiner verängstigten Sekretärin Beryl einen Aktenordner reichen. Die Mitarbeiterin, die er von dem gescheiterten Geschäftsführer von Stiletto Publishing übernommen hatte, befürchtete wahrscheinlich, ihren Job zu verlieren. Sie bewegte sich rückwärts zur Tür, vermutlich um sich in Sicherheit zu bringen. Alessandro lächelte ihr beruhigend zu. Es widerstrebte ihm, Menschen einzuschüchtern.
    Lässig lehnte er sich in seinem Lederchefsessel zurück und schlug den Ordner auf. Australier sind eigentlich ein interessantes Volk, dachte er. Wenn auch etwas sonderbar.
    Alessandro wollte sich zunächst einen Überblick über die Mitarbeiter verschaffen und blätterte interessiert in der Akte, die nach Abteilungen geordnet war. Dio , wer ist denn hier für die Dokumentation verantwortlich?, fragte er sich kopfschüttelnd. War der ehemalige Geschäftsführer denn tatsächlich völlig nutzlos gewesen?
    Sorgfältig ging Alessandro weiter die Personalliste durch, bis er plötzlich auf einen vertrauten Namen stieß. Dieser Name erinnerte ihn an entspannte Tage am sonnigen Strand, an seidiges blondes Haar und den Duft nach frisch gemähtem Gras und Geißblatt. Und an Liebe in der Abenddämmerung …
    „Beryl?“ Er drehte sich nach der Sekretärin um, die wenige Schritte von der Tür entfernt erschrocken zusammenzuckte. „Dieser L. Meadows hier – wer ist er?“
    „Er ist eine Sie, Mr. Vincenti. Ich meine, er ist eine Frau.“ Bei ihrem Bemühen, möglichst genaue Auskunft zu geben, geriet Beryl ins Stottern. „Lara Meadows. Sie ist seit etwa einem halben Jahr bei Stiletto beschäftigt. Bill, ich meine Mr. Carmichael, unser Geschäftsführer, ich meine Ex-Geschäftsführer, hielt sehr viel von ihr.“
    Etwas in Alessandro erwachte zu neuem Leben.
    So, so, es gab sie also tatsächlich noch. Das war ein Schock, doch das brauchte die Sekretärin ja nicht zu wissen. Also ließ Alessandro sich nichts anmerken und fragte nach anderen Namen.
    „Und wer ist das?“ Mit unbewegter Miene ging er die Liste durch, als würde ihm dieser Name Lara Meadows nichts sagen. Als hätte ihn diese Frau nicht zum Narren gehalten. Er war so verliebt in sie gewesen, doch sie … Alessandro rief sich zur Vernunft. „Erzählen Sie

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