Franz Sternbalds Wanderungen
denke«, sprach Roderigo erhitzt weiter, »daß sich ein andrer jetzt um ihre Liebe bewirbt, daß sie ihn mit freundlichen Augen anblickt, ich könnte unsinnig werden. Ich bin auf jedermann böse, der ihr nur vorübergeht: ich beneide das Gewand, das ihren zarten Körper berührt und umschließt. Ich bin lauter Eifersucht, und dennoch habe ich sie verlassen können.«
Ludovico sagte: »Du darfst dich darüber nicht verwundern. Ich bin nicht nur bei jedem Mädchen, das ich liebte, eifersüchtig gewesen, sondern auch bei jeder andern, wenn sie nur hübsch war. Hatte ich ein artiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar nicht kannte, das von mir gar nichts wußte, so stand meine Begier vor ihrem Bilde gleichsam Wache, ich war auf jedermann neidisch und böse, der nur durch den Zufall zu ihr ins Haus ging, der sie grüßte und dem sie höflich dankte. – Sprach einer freundlich mit ihr, so konnte ich mir diesen Unbekannten auf mehrere Tage auszeichnen und merken, um ihn zu hassen. Oh, diese Eifersucht ist noch viel unbegreiflicher als unsre Liebe, denn wir können doch nicht alle Weiber und Mädchen zu unserm Eigentum machen; aber das lüsterne Auge läßt sich keine Schranken setzen, unsre Phantasie ist wie das Faß der Danaiden, unser Sehnen umfängt und umarmt jeglichen Busen.«
Indem war es ganz finster geworden, der müde Pilgrim war eingeschlafen, einige Hörnertöne erschallten, aber fast ganz nahe an den Sprechenden, dann sang eine angenehme Stimme:
»Treulieb ist nimmer weit,
Nach Kummer und nach Leid
Kehrt wieder Lieb und Freud,
Dann kehrt der holde Gruß,
Händedrücken,
Zärtlich Blicken,
Liebeskuß.«
»Nun werden die Obstdiebe ertappt werden«, rief Ludovico aus.
»Ich kenne diese Melodie, ich kenne diese Worte«, sagte Sternbald, »und wenn ich mich recht erinnere – –«
Wieder einige Töne, dann fuhr die Stimme fort zu singen:
»Treulieb ist nimmer weit,
Ihr Gang durch Einsamkeit
Ist dir, nur dir geweiht.
Bald kömmt der Morgen schön,
Ihn begrüßet
Wie er küsset
Freudenträn'.«
Jetzt kamen durchs Gebüsch Gestalten, zwei Damen gingen voran, mehrere Diener folgten. Die fremde Gesellschaft war indes aufgestanden, Roderigo trat vor, und mit einem Ausruf des Entzückens lag er in den Armen der Unbekannten. Die Gräfin war es, die vor Freude erst nicht die Sprache wiederfinden konnte. »Ich habe dich wieder!« rief sie dann aus, »o gütiges Schicksal, sei gedankt!«
Man konnte sich anfangs wenig erzählen. Sie hatte, um sich zu zerstreuen, eine Freundin ihrer Jugend besucht, dieser gehörte Schloß und Garten. Von dem Unerlaubten des Übersteigens war gar die Rede nicht.
Die Abendmahlzeit stand bereit, der Pilgrim ließ sich nach seiner mühseligen Wanderschaft sehr wohl sein, Franz ward von der Freundin Adelheids (dies war der Name der Gräfin) sehr vorgezogen, da sie die Kunst vorzüglich liebte. Auch ihr Gemahl sprach viel über Malerei, und lobte den Albrecht Dürer vorzüglich, von dem er selbst einige schöne Stücke besaß.
Alle waren wie berauscht, sie legten sich früh schlafen, nur Roderigo und die Gräfin blieben länger munter.
Franz konnte nicht bemerken, ob Roderigo und die Gräfin sich so völlig ausgesöhnt hatten, um sich zu vermählen, er wollte nicht länger als noch einen Tag zögern, um seine Reise fortzusetzen, er machte sich Vorwürfe, daß er schon zu lange gesäumt habe. Er hätte gern von Roderigo sich die Erzählung fortsetzen lassen, die beim Eremiten in ihrem Anfange abgebrochen wurde, aber es fand sich keine Gelegenheit dazu. Der Herr des Schlosses nötigte ihn zu bleiben, aber Franz fürchtete, daß das Jahr zu Ende laufen, und er noch immer nicht in Italien sein möchte.
Nach zweien Tagen nahm er von allen Abschied, Ludovico wollte bei seinem Freunde bleiben, auch Florestan blieb bei den beiden zurück. Jetzt fühlte Sternbald erst, wie lieb ihm Rudolph sei, auch ergriff ihn eine unerklärliche Wehmut, als er dem Ludovico die Hand zum Abschiede reichte. Florestan war auf seine Weise recht gerührt, er versprach unserm Freunde, ihm bald nach Italien zu folgen, ihn binnen kurzem gewiß in Rom anzutreffen. Sternbald konnte seine Tränen nicht zurückhalten, als er zur Tür hinausging, den Garten noch einmal mit einem flüchtigen Blicke durchirrte. Der Pilgrim war sein Gefährte.
Draußen in der freien Landschaft, als er nach und nach das Schloß verschwinden sah, fühlte er sich erst recht einsam. Der Morgen war
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