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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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quälen?«
    »Du kennst mich schon besser, als jener«, sagte Ludovico, »ich denke, wir sollen gute Kameraden werden. Aber warum ist dein Freund Sternbald so betrübt?«
    Sternbald sagte: »Soll ich darüber nicht trauern, daß der Mensch mich nun verläßt, mit dem ich so lange gelebt habe? Denn ich muß nun doch meine Reise fortsetzen, ich habe mich nur zu lange aufhalten lassen. Ich weiß selbst nicht, wie es kömmt, daß ich meinen Zweck fast ganz und gar vergesse.«
    »Man kann seinen Zweck nicht vergessen«, fiel Ludovico ein, »weil der vernünftige Mensch sich schon so einrichtet, daß er gar keinen Zweck hat. Ich muß nur lachen, wenn ich Leute so große Anstalten machen sehe, um ein Leben zu führen, das Leben ist dahin, noch ehe sie mit den Vorbereitungen fertig sind.«
    Unter solchen Gesprächen zogen sie wie auf einem Marsche über Feld, Rudolph ging voran, indem er auf seiner Pfeife ein munteres Lied blies, seine Bänder flogen vom Hute in der spielenden Luft, in seiner Schärpe trug er einen kleinen Säbel. Ludovico war noch seltsamer gekleidet; sein Gewand war hellblau, ein schönes Schwert hing an einem zierlich gewirkten Bandelier über seine Schulter, eine goldene Kette trug er um den Hals, sein braunes Haar war lockig. Roderigo folgte in Rittertracht, neben dem der Pilgrim mit seinem Stabe und einfachen Anzuge gut kontrastierte. Sternbald glaubte oft einen seltsamen Zug auf einem alten Gemälde anzusehn.
    Es war gegen Abend, als sie alle sehr ermüdet waren, und noch ließ sich keine Stadt, kein Dorf antreffen. Sie wünschten wieder einen gutmütigen stillen Einsiedel zu finden, der sie bewirtete, sie horchten, ob sie nicht Glockenschall vernähmen, aber ihre Bemühung war ohne Erfolg. Ludovico schlug vor, im Walde das Nachtlager aufzuschlagen, aber alle, außer Florestan, waren dagegen, der die größte Lust bezeigte, sein Handwerk als Abenteurer recht sonderbar und auffallend anzufangen. Der Pilgrim glaubte, daß sie sich verirrt hätten, und daß alles vergebens sein würde, bis sie den rechten Weg wieder angetroffen hätten. Rudolph wollte den längern Streit nicht mit anhören, sondern blies mit seiner Pfeife dazwischen: alle waren in Verwirrung, und sprachen durcheinander, jeder tat Vorschläge, und keiner ward gehört. Während des Streites zogen sie in der größten Eile fort, als wenn sie vor jemand flöhen, so daß sie in weniger Zeit eine große Strecke Weges zurücklegten. Der Pilgrim sank endlich fast atemlos nieder, und nötigte sie auf diese Weise, stillezuhalten.
    Als sie sich ein wenig erholt hatten, glänzten die Wolken schon vom Abendrot; sie gingen langsam weiter. – Sie zogen durch ein kleines, angenehmes Gehölz, und fanden sich auf einem runden, grünen Rasenplatz, vor ihnen lag ein Garten, mit einem Stakete umgeben, durch dessen Stäbe und Verzierungen man hindurchblicken konnte. Alles war artig eingerichtet, das Geländer war allenthalben durchbrochen gearbeitet, eiserne Türen zeigten sich an etlichen Stellen, kein Palast war sichtbar. Dichte Baumgänge lagen vor ihnen, kühle Felsengrotten, Springbrunnen hörte man aus der Ferne plätschern. Alle standen still, in dem zauberischen Anblicke verloren, den niemand erwartet hatte: späte Rosen glühten ihnen von schlanken, erhabenen Stämmen entgegen, weiter ab standen dunkelrote Malven, die wie krause gewundene Säulen die dämmerndgrünen Gänge zu stützen schienen. Alles umher war still, keine Menschenstimme war zu vernehmen.
    »Ist dieser Feengarten«, rief Roderigo aus, »nicht wie durch Zauberei hierhergekommen? Wenn wir mit dem Besitzer des Hauses bekannt wären, wie erquicklich müßte es sein, in diesen anmutigen Grotten auszuruhen, in diesen dunkeln Gängen zu spazieren, und sich mit süßen Früchten abzukühlen? Wenn wir nur einen Menschen wahrnähmen, der uns die Erlaubnis erteilen könnte!«
    Indem wurde Ludovico einige Bäume mit sehr schönen Früchten gewahr, die im Garten standen, große saftige Birnen und hochrote Pflaumen. Er hatte einen schnellen Entschluß gefaßt. »Laßt uns, meine guten Freunde«, rief er aus, »ohne Zeremonien über das Spalier dieses Gartens steigen, uns in jener Grotte ausruhen, mit Früchten sättigen, und dann den Mondschein abwarten, um unsre Reise fortzusetzen.«
    Alle waren über seine Verwegenheit in Verwunderung gesetzt, aber Rudolph ging sogleich zu seiner Meinung über. Sternbald und der Pilgrim widersetzten sich am längsten, aber indem sie noch sprachen, war

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