Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
Vom Netzwerk:
beginnen? Nein, mein Freund, ich werde sie vor dem Verführer warnen, ich werde ihr raten, ihn zu vergessen wenn sie ihn liebt, ich werde ihr erzählen, wie er gesinnt ist.«
    »Sei nicht unbesonnen«, sagte Florestan, »denn du schadest dadurch dir und allen. Sie liebt ihn, sie zittert vor dem Tage ihrer Einkleidung, die Flucht ist ihr freier Entschluß, was geht dich das übrige an? Und Ludovico wird und kann ihr nicht niedrig begegnen. – Seit er sie kennt, ist er, möchte ich sagen, durchaus verändert. Er betet sie an, wie ein himmlisches, überirdisches Wesen, er will sie zu seiner Gattin machen, und ihr die Treue seines Lebens widmen. Aber lebe wohl, ich habe keine Zeit zu verlieren, sprich zum Bildhauer kein Wort, ich lasse dir den Brief, denn du bist mein und Ludovicos Freund, und wir trauen dir beide keine Schändlichkeit zu.«
    Mit diesen Worten eilte Florestan fort, und Sternbald ging zur Stadt zurück. Er wich dem Bildhauer aus, um sich nicht zu verraten. Am folgenden Morgen erwartete er mit Herzklopfen die Gelegenheit, mit der er der schönen Nonne das Billet zustecken könne. Sie nahm es mit Erröten, und verbarg es im Busen. Über ihr lilienweißes Gesicht legte sich ein so holdes Schamrot, ihre gesenkten Augen glänzten so hell, daß Franz ein vom Himmel verklärtes Wesen vor sich zu sehen glaubte. Sie schien nun ein Vertrauen zu Franz zu haben und doch seine Augen zu fürchten, ihre Majestät war sanfter und um so lieblicher. Franz war im innersten Herzen bewegt.
    Die Zeit verging, die Arbeit am Gemälde nahte sich ihrer Vollendung. Bolz schien mit einem großen Unternehmen schwanger zu gehen, seinem Freunde Sternbald sich aber nicht ganz vertrauen zu wollen. An einem Morgen, als er wieder zum Malen ging, es war der letzte Tag seiner Arbeit, fand er das ganze Kloster in der größten Bewegung. Alle liefen unruhig durcheinander, man suchte, man fragte, man erkundigte sich, die schöne Novize ward vermißt, der Tag ihrer Einkleidung war ganz nahe. Sternbald ging schnell an seine Arbeit, sein Herz war unruhig, er war ungewiß, ob er sich etwas vorzuwerfen habe.
    Wie freute er sich, als er nun das Gemälde vollendet hatte, als er wußte, daß er das Kloster nicht mehr zu besuchen brauche, in welchem die Schönheit nicht mehr war, die seine Augen nur zu gern aufgesucht hatten. Er erhielt von der Äbtissin seine Bezahlung, betrachtete das Gemälde noch einmal, und ging dann übers Feld nach der Stadt zurück.
    Er zitterte für seine Freunde, für die schöne Nonne; er suchte den Bildhauer auf, der aber nirgends anzutreffen war. Er verließ schon am folgenden Morgen die Stadt, um sich endlich Italien zu nähern, und Rom den erwünschten Ort zu sehn.
    Gegen Mittag fand er am Wege den Bildhauer Bolz liegen, der ganz entkräftet war. Franz erstaunte nicht wenig, ihn dort zu finden. Mit Hülfe einiger Vorüberwandernden brachte er ihn ins nahe Städtchen, er war verwundet, entkräftet und verblutet, aber ohne Gefahr.
    Franz sorgte für ihn, und als sie allein waren, sagte Augustin: »Ihr trefft mich hier, mein Freund, gewiß gegen Eure Erwartung an, ich hätte Euch mehr vertrauen, und mich früher Eurer Hülfe bedienen sollen, so wäre mir dies Unglück nicht begegnet. Ich wollte die Nonne, die man in wenigen Tagen einkleiden wollte, entführen, ich beredete Euch deshalb, Euch im Kloster dort zu verdingen. Aber man ist mir zuvorgekommen. In der verwichenen Nacht traf ich sie in Gesellschaft von zwei unbekannten Männern, ich fiel sie an und ward überwältigt. Ich zweifle nicht, daß es ein Streich von Roderigo ist, der sie kannte, und sie schon vor einiger Zeit rauben wollte.«
    Franz blieb einige Tage bei ihm, bis er sich gebessert hatte, dann nahm er Abschied, und ließ ihm einen Teil seines Geldes zur Pflege des Bildhauers zurück.

Drittes Kapitel
    Aus Florenz antwortete Franz seinem Freunde Sebastian folgendermaßen:
     
    Liebster Sebastian!
    Ich möchte zu Dir sagen: sei gutes Muts! wenn Du jetzt imstande wärest, auf meine Worte zu hören. Aber leider ist es so beschaffen, daß wenn der andre uns zu trösten vermöchte, wir uns auch selber ohne weiteres trösten könnten. Darum will ich lieber schweigen, liebster Freund, weil überdies wohl bei Dir die trüben Tage vorübergegangen sein mögen.
    In jedem Falle, lieber Bruder, verliere nicht den Mut zum Leben, bedenke, daß die traurigen Tage ebenso gewiß als die fröhlichen vorübergehen, daß auf dieser veränderlichen Welt nichts eine dauernde

Weitere Kostenlose Bücher