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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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der Wand herab auf ihn warf, die Tiere mit ihren Denksprüchen rührten ihn innerlich. Aber fast immer sehnte er sich zu einer andern Arbeit hin.
    Manchmal glaubte er, daß die schöne Nonne ihn mit Teilnahme und Rührung betrachte, denn es schien zuweilen, als wenn sie jeden seiner Blicke aufzuhaschen suchte, sooft er die Augen auf sie wandte, begegnete er ihrem bedeutenden Blicke. Er wurde rot, der Glanz ihrer Augen traf ihn wie ein Blitz. Die Äbtissin hatte sich an einem Morgen auf eine Weile entfernt, die übrigen Nonnen waren nicht zugegen, und Sternbald war gerade unten am Gemälde beschäftigt, als das schöne Mädchen ihm plötzlich ein Papier in die Hand drückte. Er wußte nicht, wie ihm geschah, er verbarg es schnell. Die wunderbarste Zeit des Altertums mit allen ihren ungeheuren Märchen, dünkte ihm, wäre ihm nahegetreten, hätte ihn berührt, und sein gewöhnliches Leben sei auf ewig völlig entschwunden. Seine Hand zitterte, sein Gesicht glühte, seine Augen irrten umher, und scheuten sich, den ihrigen zu begegnen. Er schwur ihr im Herzen Treue und feste Kühnheit, er unternahm jegliche Gefahr, ihm schien es Kleinigkeit, das Gräßlichste um ihrentwillen zu unternehmen. Er sah im Geiste Entführung und Verfolgung vor sich, er flüchtete sich schon in Gedanken zu seiner Genoveva in die unzugängliche Wüste.
    »Wer hätte das gedacht«, sagte er zu sich, »als ich zuerst den steinernen Fußboden dieses Klosters betrat, daß hier mein Leben einen neuen Anfang nehmen würde? daß mir das gelingen könne, was ich für das Unmöglichste hielt?«
    Indem versammelten sich die Nonnen auf dem Chor, die Glocke schlug ihre Töne, die ihm ins Herz redeten, man ließ ihn allein, und der herzdurchdringende, einfache Gesang hob wieder an. Er konnte kaum atmen, so schienen ihn die Töne wie mit mächtigen Armen zu umfassen und sich dicht an seine entzückte Brust zu drücken.
    Als alles wieder ruhig war, als er sich allein befand, nahm er den Brief wieder hervor, seine Hand zitterte, als er ihn erbrechen wollte, aber wie erstaunte er, als er die Aufschrift: An Ludovico , las! – Er schämte sich vor sich selber, er stand eine Weile tief nachsinnend, dann arbeitete er mit neuer Inbrunst am Antlitz seiner Heiligen weiter, er konnte den Zusammenhang nicht begreifen, alle seine Sinne verwirrten sich. Das Gemälde schien ihn mit seinen alten Versen anzureden, Genoveva ihm seine Untreue, seinen Wankelmut vorzuwerfen.
    Es war Abend geworden, als er das Kloster verließ. Er ging über den Kirchhof nach dem Felde zu, als ihm wieder die dumpfen Leiertöne auffielen. Der Alte kam auf ihn zu und nannte ihn bei Namen. Es war niemand anders als Florestan.
    Sternbald konnte sich vor Erstaunen nicht finden, aber jener sagte: »Sieh, mein Freund, dies ist das menschliche Leben, wir nahmen vor kurzem so wehmütig Abschied voneinander, und nun triffst du mich so unerwartet und bald wieder, und zwar als alten Mann. Sei künftig niemals traurig, wenn du einen Freund verlässest. Aber hast du nichts an Ludovico abzugeben?«
    Sternbald ahndete nun den Zusammenhang, mit zitternder Hand gab er ihm den Brief, den er von der Nonne empfangen hatte. Florestan empfing ihn freudig. Als Franz ihn weiter befragte, antwortete er lustig: »Sieh, mein Freund, wir sind jetzt auf Abenteuer, Ludovico liebt sie, sie ihn, in wenigen Tagen will er sie entführen, alle Anstalten dazu sind getroffen, ich führe bei ihm ein Leben wie im Himmel, alle Tage neue Gefahren, die wir glücklich überstehn, neue Gegenden, neue Lieder und neue Gesinnungen.«
    Franz wurde empfindlich. »Wie?« sagte er im Eifer, »soll auch sie ein Schlachtopfer seiner Verführungskunst, seiner Treulosigkeit werden? Nimmermehr!«
    Rudolph hörte darauf nicht, sondern bat ihn, nur einen Augenblick zu verweilen, er müsse Ludovico sprechen, würde aber sogleich zurückkommen. Vor allen Dingen aber solle er dem Bildhauer Bolz nicht ein Wort davon entdecken.
    Franz blieb allein und konnte sich über sich selbst nicht zufriedengeben, er wußte nicht, was er zu allem sagen solle. Er setzte sich unter einem Baume nieder, und Rudolph kam nach kurzer Zeit zurück. »Hier, mein liebster Freund«, sagte dieser, »diesen Zettel mußt du morgen deiner schönen Heiligen übergeben, er entscheidet ihr Schicksal.«
    »Wie?« rief Franz bewegt aus, »soll ich mich dazu erniedrigen, das herrlichste Geschöpf vernichten zu helfen? Und du Rudolph kannst mit diesem Gleichmute ein solches Unternehmen

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