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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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doch war er noch zweifelhaft. – In kurzer Zeit hatte er beide aus den Augen verloren, sosehr er sich auch bemühte, sich durch die Menschen hindurchzudrängen.
    Die beiden Gestalten lagen ihm immer im Sinne, er ging zum Kloster zurück, aber er konnte sie nicht vergessen, er wollte sie wieder aufsuchen, aber es war vergebens. Indem er malte, kam die Äbtissin mit einigen Nonnen hinzu, um ihm bei der Arbeit zuzusehn, die größte von ihnen schlug den Schleier zurück, und Franz erschrak über die Schönheit, über die Majestät eines Angesichts, die ihm plötzlich in die Augen fielen. Diese reine Stirn, diese großen dunkeln Augen, das schwermütige, unaussprechlich süße Lächeln der Lippen nahm sein Auge gleichsam mit Gewalt gefangen, sein Gemälde, jede andre Gestalt kam ihm gegen diese Herrlichkeit trübe und unscheinbar vor. Er glaubte auch noch nie einen so schlanken Wuchs gesehen zu haben, ihm fielen ein paar Stellen aus alten Gedichten ein, wo der Dichter von der siegenden Gewalt der Allerholdseligsten sprach, von der unüberwindlichen Waffenrüstung ihrer Schöne. – Ein altes Lied sagte:
    Laß mich los, um Gottes willen
Gib mich armen Sklaven frei,
Laß die Augen dir verhüllen,
Daß ihr Glanz nicht tödlich sei.
        Mußt du mich in Ketten schleifen
Stärker als von Demantstein?
Muß das Schicksal mich ergreifen,
Ich ihr Kriegsgefangner sein? –
    »Wie«, dachte Sternbald, »muß dem Manne sein, dem sich diese Arme freundlich öffnen? dem dieser heilige Mund den Kuß entgegenbringt? Die Grazie dieser übermenschlichen Engelsgestalt ganz sein Eigentum!«
    Die Nonne betrachtete das Gemälde und den Maler in einer nachdenklichen Stellung, keine ihrer Bewegungen war lebhaft, aber wider Willen ward das Auge nachgezogen, wenn sie ging, wenn sie die Hand erhob, das Auge war entzückt, in den Linien mitzugehn, die sie beschrieb. Franz gedachte an Roderigos Worte, der von der Gräfin gesagt hatte, daß sie in Bewegungen Musik schriebe, daß jede Biegung der Gelenke ein Wohllaut sei.
    Sie gingen fort, der Gesang der Nonnen erklang wieder. Franz fühlte sich verlassen, daß er nicht neben der schönen Heiligen knien konnte, ganz in Andacht hingegossen, die Augen dahin gerichtet, wohin die ihrigen blickten, er glaubte, daß das allein schon ein höchst seliges Gefühl sein müsse, nur mit ihr dieselben Worte zu singen, zu denken. Wie widerlich waren ihm die Farben, die er auftragen, die Figuren, die er neu beleben sollte!
    Auf den Abend sprach er den Bildhauer. Er schilderte ihm die Schönheit, die er gesehn hatte, Augustin schien beinahe eifersüchtig. Er erzählte, wie es dasselbe Mädchen sei, das in kurzem das Gelübde ablegen werde, von der der Köhler gesprochen habe, sie sei mit ihrem Stande unzufrieden, müsse sich aber dem Willen der Eltern fügen. »Ihr habt recht«, fuhr er gegen Franz fort, »wenn Ihr sie eine Heilige nennt, ich habe noch nie eine Gestalt gesehn, die etwas so Hohes, so Überirdisches ausgedrückt hätte. Und nun denkt Euch diesen züchtigen Busen entfesselt, diese Wangen mit Scham und Liebe kämpfend, diese Lippen in Küssen entbrannt, das große Auge der Trunkenheit dahingegeben, dies Himmlische des Weibes im Widerspruch mit sich selbst und doch ihre schönste Bestimmung erfüllend – oh, wer auf weiter Erde ist denn glückseliger und gebenedeiter, als dieser ihr Geliebter? Höhere Wonne wird auf dieser magern Erde nicht reif, und wem diese bescheret ist, vergißt die Erde und sich, und alles!«
    Er schien noch weitersprechen zu wollen, aber plötzlich brach er ab, und verließ Sternbald, der im unnützen Nachsinnen verloren war.
    Franz hatte noch keine seiner Arbeiten mit dieser Unentschlossenheit und Beklemmung gemacht, er schämte sich eigentlich seines Malens an diesem Orte, besonders in Gegenwart der majestätischen Gestalt. Sie besuchte ihn regelmäßig und betrachtete ihn genau. Ihre Gestalt prägte sich jedesmal tiefer in seine Phantasie, er schied immer weniger gern.
    Die Malerei ging rascher fort, als er sich gedacht hatte. Die Genoveva machte er seiner teuren Unbekannten ähnlich, er suchte den Ausdruck ihrer Physiognomie zu erhöhen, und den geistreichen Schmerz gut gegen die unschuldigen Gesichter der Tiergestalten abstechen zu lassen. Wenn die Orgel zuweilen ertönte, fühlte er sich wohl selbst in schauerliche Einsamkeit entrückt, dann fühlte er Mitleid mit der Geschichte, die er darstellte, ihn erschreckte dann der wehmütige Blick, den die Unbekannte von

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