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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Stelle hat. Das sollte uns im Unglück trösten und unsre übermütige Fröhlichkeit dämpfen.
    Wenn ich Dich doch, mein Liebster, auf meiner Reise bei mir hätte! Wie ich da alles mehr und inniger genießen würde! Wenn ich Dir nur alles sagen könnte, was ich lerne und erfahre, und wie viel Neues ich sehe und schon gesehen habe! Es überschüttet und überwältigt mich oft so, daß ich mich ängstige, wie ich alles im Gedächtnis, in meinen Sinnen aufbewahren will. Die Welt und die Kunst ist viel reicher, als ich vorher glauben konnte. Fahre nur eifrig fort zu malen, Sebastian, damit Dein Name auch einmal unter den würdigen Künstlern genannt werde, Dir gelingt es gewiß eher und besser als mir. Mein Geist ist zu unstet, zu wankelmütig, zu schnell von jeder Neuheit ergriffen; ich möchte gern alles leisten, und darüber werde ich am Ende gar nichts tun können.
    So ist mein Gemüt aufs heftigste von zwei neuen großen Meistern bewegt, vom venezianischen Tizian und von dem allerlieblichsten Antonio Allegri von Correggio. Ich habe, möcht ich sagen, alle übrige Kunst vergessen, indem diese edlen Künstler mein Gemüt erfüllen, doch hat der letztere auch beinahe den erstern verdrängt. Ich weiß mir in meinen Gedanken nichts Holdseligers vorzustellen, als er uns vor die Augen bringt, die Welt hat keine so liebliche, so vollreizende Gestalten, als er zu malen versteht. Es ist, als hätte der Gott der Liebe selber in seiner Behausung gearbeitet und ihm die Hand geführt. Wenigstens sollte sich nach ihm keiner unterfangen, Liebe und Wollust darzustellen, denn keinem andern Geiste hat sich so das Glorreiche der Sinnenwelt offenbart.
    Es ist etwas Köstliches, Unbezahlbares, Göttliches, daß ein Maler, was er in der Natur nur Reizendes findet, was seine Imagination nur veredeln und vollenden kann, uns nicht in Gleichnissen, in Tönen, in Erinnerungen oder Nachahmungen aufbewahrt, sondern es auf die kräftigste und fertigste Weise selber hinstellt und gibt. Darum ist auch in dieser Hinsicht die Malerei die erste und vollendeteste Kunst, das Geheimnis der Farben ist anbetungswürdig. Der Reiche, der Correggios Gemälde, seine Leda, seine badenden schönsten Nymphen besitzt, hat sie wirklich, sie blühen in seinem Palaste in ewiger Jugend, der allerhöchste Reiz ist bei ihm einheimisch, wonach andre mit glühender Phantasie suchen, was Stumpfere mit ihren Sinnen sich nicht vorstellen können, lebt und webt bei ihm wirklich, ist seine Göttin, seine Geliebte, sie lächelt ihn an, sie ist gern in seiner Gegenwart.
    Wie ist es möglich, wenn man diese Bilder gesehen hat, daß man noch vom Kolorit geringschätzend sprechen kann? Wer würde nicht von der Allmacht der Schönheit besiegt werden, wenn sie sich ihm nackt und unverhüllt, ganz in Liebe hingegeben, zu zeigen wagte? – Das Studium dieser himmlischen Jugendgeister hat die große Zauberei erfunden, dies und noch mehr unsern Augen möglich zu machen.
    Was die Gesänge des liebenden Petrarka wie aus der Ferne herüberwehen, Schattenbilder im Wasser, die mit den Wogen wieder wegfließen, was Ariosts feuriger Genius nur lüstern und in der Ferne zeigen kann, wonach wir sehen und es doch nicht entdecken können, im Walde fernab die ungewissesten Spuren, die dunkeln Gebüsche verhüllen es, sosehr wir darnach irren und suchen; alles das steht in der allerholdseligsten Gegenwart dicht vor uns. Es ist mehr, als wenn Venus uns mit ihrem Knaben selber besuchte, der Genuß an diesen Bildern ist die hohe Schule der Liebe, die Einweihung in die höchsten Mysterien, wer diese Gemälde nicht verehrt, versteht und sich an ihnen ergötzt, der kann auch nicht lieben, der muß nur gleich sein Leben an irgendeine unnütze, mühselige Beschäftigung wegwerfen, denn ihm ist es verborgen, was er damit anfangen kann.
    Eine Zeichnung mag noch so edel sein, die Farbe bringt erst die Lebenswärme, und ist mehr und inniger, als der körperliche Umfang der Bildsäule.
    Auch in seinen geistlichen Kompositionen spiegelt sich eine liebende Seele, der Gürtel der Venus ist auch hier verborgen, und man weiß immer nicht, welche seiner Figuren ihn heimlich trägt. Auge und Herz bleiben gern verweilend zurückgezogen; der Mensch fühlt sich bei ihm in der Heimat der glücklichsten Poesie, er denkt: ja, das war es, was ich suchte, was ich wollte und es immer zu finden verzweifelte. Vulkans künstliches Netz zieht sich unzerreißbar um uns her, und schließt uns eng und enger an Venus, die vollendete

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