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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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angefüllt, er empfand zum ersten Male den harmonischen Einklang aller seiner Kräfte und Gefühle, ihn ergriff und beschirmte der Geist, der die Welt regiert und in Ordnung hält, er gestand es sich deutlich, wie die Andacht der höchste und reinste Kunstgenuß sei, dessen unsre menschliche Seele nur in ihren schönsten und erhabensten Stunden fähig ist. Die ganze Welt, die mannigfaltigsten Begebenheiten, Unglück und Glück, das Niedre und Hohe, alles schien ihm in diesen Augenblicken zusammenzufließen, und sich selbst nach einem kunstmäßigen Ebenmaße zu ordnen. Tränen flossen ihm aus den Augen, und er war mit sich, mit der Welt, mit allem zufrieden.
    Schon in Nürnberg war es oft für ihn eine Erquickung gewesen, sich aus dem Getümmel des Marktes und des verworrenen geräuschvollen Lebens in eine stille Kirche zu retten: da hatte er oft gestanden, die Pfeiler und das erhabene Gewölbe betrachtet, und das Gewühl vergessen, er hatte es immer empfunden, wie diese heilige Einsamkeit auf jedes Gemüt gut wirken müsse, aber noch nie hatte er diese reine, erhabne Entzückung genossen.
    Die Orgel schwieg, und man vernahm aus der Ferne über die Wiese her das Schnauben von Pferden und einen schnellrollenden Wagen. Franz hob seine Augen auf; in demselben Augenblick eilte das Fuhrwerk der Kirche vorüber, ein Rad fuhr ab, der Wagen stürzte, und zwei junge Mädchen und ein alter Mann waren im Begriff zu fallen, als Franz schon hinzugeeilt war und den Wagen hielt, indem der Fuhrmann die Pferde hemmte. Die Schönste und, wie es schien, die Herrin der übrigen, lag in seinen Armen, ihr Kopf ruhte an seinem Gesicht, geringelte blonde Haare, die durch den plötzlichen Sturz sich unter einer reichen Goldhaube losgemacht hatten, waren wie ein glänzendes Netz um beide gespreitet, aus dem grünen Atlasmantel wogte nahe an ihm ein blendend weißer Busen in heftiger Bewegung des Erschreckens. Endlich erhob sie das durchdringlich blaue Auge und dankte ihm lächelnd. Alle stiegen ab, und Franz war geschäftig, die Fremden zu bedienen, indessen der Fuhrmann seinen Wagen wieder einrichtete. Die schöne Fremde betrachtete unsern Freund aufmerksam, er schien mehr erschrocken als sie, er bat sie mit gerührtem Ton, sich zu erholen. Er wußte nicht, was er sagen sollte; die blauen Augen des Mädchens begegneten ihm und er errötete, der alte Mann sprach mit der Dienerin. Die Fremde lehnte sich auf seinen Arm, wie ermüdet, und so traten sie in die Kirche ein; sie ließ sich auf ein Knie nieder und bekreuzte sich, nach dem Altar gewendet, sehr andächtig, was der Gemeine auffiel, dann erhob sie sich und sagte: »Welch ein herrliches, rührendes Altarbild!« »Ja wohl«, sagte Franz, außer sich vor Entzücken, und sie fuhr fort: »Gewiß von Dürer, oder einem seiner Schüler, herrliche Werke haben die Deutschen hervorgebracht.« Franz verstummte und zitterte. Indes war der Wagen wieder instand gesetzt, sie schritten wieder aus der Kirche, und Franz ängstete sich, daß sie nun wieder abreisen würde; noch gingen sie unter den duftenden Bäumen auf und ab, und der Gesang scholl ihnen aus der Kirche entgegen. Nun stiegen die Fremden wieder auf, der junge Maler fühlte sein Herz heftig schlagen, die holde Gestalt dankte ihm noch einmal, und nun flog der Wagen fort. Er sah ihnen nach, so weit er konnte; jetzt nahten sie einem fernen Gebüsche, der Wagen verschwand, er war wie betäubt.
    Als er wieder zu sich erwachte, sah er im Grase, wo er gestanden hatte, eine kleine zierliche Brieftasche liegen. Er nahm sie schnell auf und entfernte sich damit; es war kein Zweifel, daß sie der Fremden gehören müsse. Es war unmöglich, dem Wagen nachzueilen, er hatte auch nicht gefragt, wohin sie sich wenden wolle, und ebensowenig wußte er den Namen der Reisenden. Alles dies beunruhigte ihn erst jetzt, als er die Brieftasche in seinen Händen hielt. Er mußte sie behalten, und wie teuer war sie ihm! Er wagte es nicht, sie zu eröffnen, sondern eilte mit ihr seinem geliebten Walde zu; hier setzte er sich auf dem Platze nieder, der ihm so heilig war, hier machte er sie mit zitternden Händen auf, und das erste, was ihm in die Augen fiel, war ein Gebinde wilder vertrockneter Blumen. Er blickte um sich her, er besann sich, ob es ein Traum sein könne, er konnte sich nicht zurückhalten, er küßte die Blumen und weinte heftig: innerlich ertönte der Gesang des Waldhorns, den er in der Kindheit gehört hatte.
    Auf einem Blättchen stand geschrieben:

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