Piratin der Freiheit
GOLDMANN
Die spanische Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Negreros« bei Plaza & Janes Editores, Barcelona
Umwelthinweis:
Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches sind chlorfrei und umweltschonend. Das Papier enthält Recycling-Anteile.
Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann Deutsche Erstveröffentlichung 8/98 Copyright © der Originalausgabe 1996
by Alberto Väzquez-Figueroa Copyright ©
der deutschsprachigen Ausgabe 1998
by Wilhelm Goldmann Verlag, München
Umschlaggestaltung: Design Team München
Umschlagmotiv: Samuel Scott
Satz: JBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin
Druck: Eisnerdruck, Berlin
Verlagsnummer: 44042
Redaktion: Astrid Roth
CN • Herstellung: Heidrun Nawrot
Made
in
Germany
ISBN
3-442-44042-4
Als sich Celeste Heredia Matamoros der bitteren Er-
kenntnis nicht mehr verschließen konnte, daß ihr Bruder Sebastian während des schrecklichen Erdbebens
gestorben war, das am 7. Juni 1692 die schöne Stadt Port-Royal vollständig zerstört hatte, verfluchte sie ihr ungerechtes Schicksal. Fast 15 Jahre hatte sie fern von dem Menschen verbringen müssen, den sie am meisten
geliebt hatte, und dann hatte ihr das Schicksal diesen Menschen nur zurückgegeben, um ihn ihr erneut grausam zu entreißen, und diesmal für immer.
Sie beschloß jedoch, ihre Tränen zu unterdrücken.
Nicht minder litt Celestes Vater, der einfach nicht begreifen konnte, daß ihn das Leben offenbar ohne sichtlichen Grund quälte. Da war er kaum dem Abgrund des Wahnsinns entronnen, und schon hing er wieder dar-
über wie eine Marionette.
Er setzte sich neben seine Tochter und schaute auf die Bucht hinaus, die inzwischen wie eine Kloake roch.
Darin schwammen die Reste der vom Erdbeben zer-
trümmerten Schiffe, und der Wind trieb Leichenteile an die Strände, die selbst die Haie verschmäht hatten. Er fragte sich, ob vielleicht auch der Leichnam seines Sohnes den Bestien als Fraß gedient hatte oder ob er vielleicht im Inneren seines Schiffs gefangen war. Von der ehedem so stolzen Jacare ragte nur noch der zer-splitterte Bug über die ölige Wasseroberfläche.
»Nicht einmal ein Grab!« jammerte er vor sich hin.
»Weder eine letzte Ruhestätte noch ein Grabstein wird an sein Leben erinnern.«
Seine Tochter tätschelte ihm zärtlich die zittrige Hand.
»In den Gräbern ruhen nur Leichname, Vater, nur
sterbliche Überreste.« Celeste wies auf die endlose blaue, klare Wasseroberfläche jenseits der Landzunge hinaus, auf der sich noch vor wenigen Tagen Port-Royal erhoben hatte: »Bestimmt ruht Sebastian im unendlichen Meer, das er so geliebt hat, und das eine schwöre ich dir: Ich werde dafür sorgen, daß man sich noch viele Jahre an sein Lebenswerk erinnern wird.«
»Wie willst du das denn anstellen?«
»Indem ich ein Schiff ausrüste, das in seinem Namen gegen die Sklaventransporte kämpft…«, erwiderte das Mädchen mit der ihr eigenen Entschlossenheit, die keinen Zweifel duldete. »Und ich werde nicht aufhören, bis Tausende unglücklicher Menschen Sebastians Namen preisen und zahlreiche Kanaillen ihn verfluchen.«
»Hast du diese absurde Idee noch immer nicht aufge-
geben?«
»Von wegen aufgeben«, tönte es gelassen zurück.
»Jetzt fange ich erst richtig an!«
Celeste hielt Wort. Schon am nächsten Morgen mach-
te sie dem bedrückten Oberst James Buchanan ihre
Aufwartung. Der hatte mit ansehen müssen, wie in drei schrecklichen Minuten eine offenbar wahnsinnig gewordene Erde fast all seine höheren Offiziere ver-
schlungen hatte. In seinen Händen lag jetzt die Verantwortung, ein wenig Ordnung in das Chaos einer ange-
sichts der unermeßlichen Tragödie noch betäubten Insel zu bringen.
»Wir möchten von Euch die Erlaubnis einholen, die
Schätze meines Bruders, Kapitän Sebastian Heredia
Matamoros, zu bergen. Sie ruhen in den Laderäumen
seines Schiffs, der facare, die während des Erdbebens vom 7. Juni in der Bucht gesunken ist.«
Der gute Mann war noch nicht einmal dazu gekom-
men, ein Schiff nach London zu schicken, das die Katastrophe melden und Instruktionen einholen sollte. Un-gläubig blickte er das attraktive, entschlossene Mädchen und den zutiefst niedergeschlagen wirkenden Alten an ihrer Seite an. Nach einigem Zögern wollte er wissen:
»Habt Ihr irgendein Dokument, das Eure Verwandt-
schaft oder Eure Besitzrechte an dem Schiff beweist?«
»Alles liegt auf dem Grund des Meeres.«
»Das war ja anzunehmen!« räumte der
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