Franz Sternbalds Wanderungen
kann. Nur einmal sehn, nur einmal sprechen möcht ich sie noch, ich kann mein Verlangen darnach nicht mit Worten ausdrücken, und doch wüßt ich nicht was ich ihr sagen sollte, wenn ich sie plötzlich wiederfände. Ich kann es nicht sagen, was meine Empfindung ist, und ich weiß nicht, ob Du nicht Deinen Freund belächelst. Aber Du bist zu gut, um über mich zu spotten; auch bin ich zu ehrlich gegen Dich.
Wenn ich an die reizenden Züge denke, an diese heilige Unschuld ihrer Augen, diese zarten Wangen – wenigstens möcht ich ein Gemälde, ein treues, einfaches der jetzigen Gestalt besitzen. Tod und Trennung sind es nicht allein, die wir zu bejammern haben; sollte man nicht jeden dieser süßen Züge, jede dieser sanften Linien beweinen, die die Zeit nach und nach vertilgt? Der ungeschickte Künstler, der durch beständiges Nachmalen sein Bild verdirbt, das er erst so schön ausgearbeitet hatte. Ich sehe sie vielleicht nach vielen, vielen Jahren wieder, vielleicht auch nie. Es gibt ein Lied eines alten Sängers, ich schreibe Dir es auf:
Wohlauf und geh in den vielgrünen Wald,
Da steht der rote frische Morgen,
Entlade dich der bangen Sorgen,
Und sing ein Lied, das fröhlich durch die Zweige schallt!
Es blitzt und funkelt Sonnenschein
Wohl in das grüne Gebüsch hinein,
Und munter zwitschern die Vögelein. –
- Ach nein! ich gehe nimmer zum vielgrünen Wald,
Das Lied der süßen Nachtigall schallt,
Und Tränen,
Und Sehnen
Bewegen die bange, die strebende Brust,
Im Walde, im Walde wohnt mir keine Lust,
Denn Sonnenschein,
Und hüpfende Vögelein,
Sind mir Marter und Pein!
Einst fand ich den Frühling im grünenden Tal,
Da blühten und dufteten Rosen zumal,
Durch Waldesgrüne
Erschiene
Im Eichenforst wild
Ein süßes Gebild:
Da blitzte Sonnenschein,
Es sangen Vögelein
Und riefen die Geliebte mein.
Sie ging mit Frühling Hand in Hand,
Die Weste küßten ihr Gewand,
Zu Füßen
Die süßen
Viol und Primeln hingekniet
Indem sie still vorüberzieht,
Da gingen ihr die Töne nach,
Da wurden alle Stimmen wach,
Da girrte Nachtigall noch zärtlicher ihr Ach!
Mich traf ihr wundersüßer Blick:
Woher? Wohin du goldnes Glück?
Die Schöne,
Die Töne,
Die rauschenden Bäume,
Wie goldene Träume!
Ist dies noch der Eichengrund?
Grüßt mich dieser rote Mund?
Bin ich tot, bin ich gesund?
Da schwanden mir die alten Sorgen,
Und neue kehrten bei mir ein,
Ich traf die Maid an jedem Morgen
Und schöner grünte stets der Hain:
Lieb', wie süße
Deine Küsse!
Glänzend schönste Zier,
Wohne stets bei mir,
Im vielgrünen Walde hier! –
Ich ging hinaus im Morgenlicht,
Da kam die süße Liebe nicht;
Vom Baume hernieder
Schrie Rabe seine heisern Lieder:
Da weint und klagt ich laut,
Doch nimmer kam die Braut –
Und Morgenschein,
Und Vögelein
Nur Angst und Pein!
Ich suchte sie auf und ab, über Berge, tälerwärts,
Ich sah manche fremde Ströme fließen,
Aber ach! mein liebend banges Herz
Nimmer fand's die Gegenwart der Süßen:
Einsam blieb der Wald,
Da kam der Winter kalt;
Vöglein,
Sonnenschein
Flohen aus dem Walde mein. –
Ach! schon viele Sommer stiegen nieder,
Oftmals kam der Zug der Vögel wieder,
Oft hat sich der Wald in Grün gekleidt,
Niemals kam zurück die süße Maid.
Zeit! Zeit!
Warum trägst du so grausamen Neid?
Ach! sie kommt vielleicht auf fremden Wegen
Ungekannter Weis mir bald entgegen,
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