Franz Sternbalds Wanderungen
Aber Jugend ist von mir gewichen,
Ihre schönen Wangen sind erblichen,
Kömmt sie auch hinab zum Eichengrund
Kenn ich sie nicht mehr am roten Mund:
O Leide!
Fremd sind wir uns beide!
Keiner kennt den andern
Im Wandern!
Wer Jüngling ist der wandle munter
Den Wald hinunter,
Wohl mag's, daß ihm Treulieb entgegenziehet,
Dann blühet
Aus allen Knospen Frühling auf ihn ein: –
Doch niemals treff ich die verlorne Jugend mein,
Drum ist mir Sonnenschein,
Die Nachtigall im Hain
Nur Qual und Pein!
Ach! Vielleicht ist für mich auch einst der vielgrüne Wald so abgestorben!
Oft möcht ich alles in Gedichten niederschreiben, und ich fühle es jetzt, wie die Dichter entstanden sind. Du vermagst das Wesen, was Dein innerstes Herz bewegt nicht anders auszusprechen.
Ich habe endlich einen neuen Kupferstich von unserm Albert gesehn, den er seit meiner Abwesenheit gemacht hat. Du wirst ihn kennen, es ist der lesende Einsiedler. Wie ich da wieder unter euch war! Denn ich kannte die Stube, den Tisch und die runden Scheiben gleich wieder, die Dürer auf diesem Bilde von seiner eignen Wohnung abgeschrieben hat. Wie oft habe ich die runden Scheiben betrachtet, die der Sonnenschein an der Täfelung oder an der Decke zeichnete; der teure Hieronymus sitzt an Dürers Tisch. Es ist schön, daß unser Meister in seiner frommen Vorliebe für das, was ihn so nahe umgibt, der Nachwelt ein Konterfei von seinem Zimmer gegeben hat, wo alles so bedeutend ist, und jeder Zug Andacht und Einsamkeit ausdrückt.
Ich gehe auf meinem Wege oft in die kleinen Kapellen hinein, und verweile mich dabei, die Gemälde und Zeichnungen zu betrachten. Ob es meine Unerfahrenheit, oder meine Vorliebe für das Altertum macht, ich sehe selten ein ganz schlechtes Bild; ehe ich die Fehler entdecke, sehe ich immer die Vorzüge an jedem. Ich habe gemeiniglich bei jungen Künstlern die entgegengesetzte Gemütsart gefunden, und sie wissen sich immer recht viel mit ihrem Tadel. Ich habe oft eine fromme Ehrfurcht vor unsern treuherzigen Vorfahren, die zuweilen recht schöne und erhabene Gedanken mit so wenigen Umständen ausgedrückt haben.
Ich will meinen Brief schließen. Möge der Himmel Dich und meinen teuern Albert gesund erhalten! Dieser Brief dürfte seinem ernsten Sinne schwerlich gefallen. Laß mich bald Nachrichten von Dir und von allen Bekannten hören.
In die Ferne geht die Liebe
Ungekannt durch Nacht und Schatten;
Ach! wozu daß ich hier bliebe
Auf den vaterländschen Matten?
Wie mit süßen Flötenstimmen
Rufen alle goldnen Sterne:
»Weit muß manche Woge schwimmen,
Deine Lieb ist in der Ferne,
Jenes Bild vor dem du knietest,
Dich ihm ganz zu eigen gabst,
Ihm mit allen Sinnen glühtest,
An dem Schatten dich erlabst –
Was dein Geist als Zukunft dachte,
Dein Entzücken Kunst genannt,
Was als Morgenrot dir lachte,
Oft sich wieder abgewandt,
Sie nur ist es! Dein Verzagen
Hat sie fort von dir gescheucht,
Willst du es nur männlich wagen,
Wird das Ziel noch einst erreicht,
Alle Ketten sind gesprungen
Und befreit ist dann dein Geist,
Jeder Knechtschaft kühn entschwungen
Fühlst du dich nicht mehr verwaist,
Rückwärts flieht das zage Bangen,
Muse reicht dir dann die Hand,
Und führt sicher dein Verlangen
In der Götter Himmelsland!« – –
Ja, wer darf mit Kunst und Liebe
Von den Sterblichen sich messen?
In dem schönvermählten Triebe
Wird der Himmel selbst besessen!
Diese ungeschickten Zeilen habe ich gestern in einem angenehmen Walde gedichtet; meine ganze Seele war darauf hingewandt, und ich bin nicht errötet, sie Dir, Sebastian, niederzuschreiben: denn warum sollte ich Dir einen Gedanken meiner Seele verheimlichen? – Lebe wohl. –
Zweites Buch
Erstes Kapitel
Franz Sternbald war über Aschaffenburg und dem alten Mainz den schönen Rhein hinunter nach den Niederlanden gereiset. Allenthalben hatte er die Denkmale deutscher und niederländischer Kunst aufgesucht und mit Teilnahme und Bewunderung betrachtet. Vor allen war er erstaunt über die alten Werke des Johann van Eyck, der schon vor langer Zeit die Kunst in Öl zu malen erfunden und verbreitet hatte, dann zogen ihn die gleichzeitigen Meister an, wie die Werke des Lukas
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