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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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die Blumen zurück, und erzählte ihr wer er sei. Da umfing sie ihn mit ihren zarten Armen, da kam der Mond mit seinem Glanze näher, und schien ihnen beiden hell ins Angesicht, sie gestanden sich ihre Liebe, sie waren unaussprechlich glücklich. – Diesen Traum setzte Franz fort, die frühsten Erinnerungen aus seinen Kinderjahren kamen zurück, alle schönen Empfindungen, die er einst gekannt hatte, zogen wieder an ihm vorüber und begrüßten ihn. So ist der Schlaf oft ein Ausruhen in einer schöneren Welt; wenn die Seele sich von diesem Schauplatz hinwegwendet, so eilt sie nach jenem unbekannten magischen, auf welchem liebliche Lichter spielen und kein Leiden erscheinen darf: dann dehnt der Geist seine großen Flügel auseinander, und fühlt seine himmlische Freiheit, die Unbegrenztheit, die ihn nirgend beengt und quält. Beim Erwachen sehn wir oft zu voreilig mit Verachtung auf dieses schönere Dasein hin, weil wir unsre Träume nicht in unser Tagesleben hineinweben können, weil sie nicht da fortfahren, wo unsre Menschentätigkeit am Abend aufhörte, sondern ihre eigne Bahn wandelten.

Zweites Kapitel
    Am Morgen erkundigte sich Franz nach der Wohnung des berühmten Lukas von Leyden. Man bezeichnete ihm die Straße und das Haus, und er ging mit hochschlagendem Herzen hin. Er ward in eine ansehnliche Wohnung geführt, eine Magd sagte ihm, daß der Herr sich schon in seiner Malerstube befinde und arbeite. Franz bat, daß man ihn hineinführen möchte. Die Tür öffnete sich, und Franz sah einen kleinen, freundlichen, ziemlich jungen Mann vor einem Gemälde sitzen, an dem er fleißig arbeitete, um ihn her standen und hingen vielerlei Schildereien, einige Farbenkasten, Zeichnungen und Anatomien, aber alles in der besten Ordnung. Der Maler stand auf und ging Franzen entgegen, der Schüler war jetzt mit seinen Augen dem Gesicht des berühmten Meisters gegenüber, und vermochte in der ersten Verwirrung kein Wort hervorzubringen. Endlich faßte er sich, nannte seinen Namen und den Namen seines Lehrers. Lukas hieß ihn von Herzen willkommen, und beide setzten sich nun in der Werkstatt nieder, und Franz erzählte ganz kurz seine Reise, und sprach von einigen merkwürdigen Gemälden, die er unterwegs angetroffen hatte. Er beschaute während dem Sprechen aufmerksam das Bild, an welchem Lukas eben arbeitete; es war eine Heilige Familie, er traf darinnen vieles von einigen Dürerschen Arbeiten an, denselben Fleiß, dieselbe Genauigkeit im Ausmalen, nur schien ihm an Lukas' Bildern Dürers strenge Zeichnung zu fehlen, ihm dünkte, als wären die Umrisse weniger dreist und sicher gezogen; dagegen hatte Lukas etwas Liebliches und Anmutiges in den Wendungen seiner Gestalten, ja auch in seiner Färbung, das dem Dürer mangelte. Dem Geiste nach, glaubte er, müßten diese beiden großen Künstler sehr nahe verwandt sein, er sah hier dieselbe Einfalt in der Zusammensetzung, dieselbe Verschmähung unnützer Nebenwerke, die rührende und echt deutsche Behandlung der Gesichter und Leidenschaften, dasselbe Streben nach Wahrheit.
    Lukas war in seinem Gespräche ein muntrer, fröhlicher Mann, seine Augen waren sehr lebhaft, und seine schnell veränderlichen Mienen begleiteten und erklärten jedes seiner Worte. Franz konnte ihn noch immer nicht genug betrachten, denn in seiner Einbildung hatte er ihn sich ganz anders gedacht, er hatte einen großen, starken, ernsthaften Mann erwartet, und nun sah er eine kleine, sehr behende, aber fast kränkliche Figur vor sich, und die Gebärden und Reden des Meisters trugen alle das Gepräge eines lustigen freien Gemütes.
    »Es freut mich ungemein, Euch kennenzulernen«, rief Lukas mit seiner Lebhaftigkeit aus, »aber vor allen Dingen wünschte ich einmal Euren Meister zu sehen, ich wüßte nichts Erfreulicheres, das mir begegnen könnte, als wenn er so, wie Ihr heut tatet, in meine Werkstatt hereinträte; ich bin auf keinen andern Menschen in der Welt so neugierig, als auf ihn, denn ich halte ihn für den größten Künstler, den die Zeiten hervorgebracht haben. Er ist wohl sehr fleißig?«
    »Er arbeitet fast immer«, antwortete Franz, »und er kennt auch kein größeres Vergnügen als seine Arbeit. Seine Emsigkeit geht so weit, daß er dadurch sogar manchmal seiner Gesundheit Schaden tut.«
    »Ich will es gern glauben«, antwortete Lukas, »es zeugen seine Kupferstiche von einer fast unbegreiflichen Sorgfalt, und doch hat er deren schon so viele ausgehn lassen! Man kann nichts Sauberers sehn, als

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