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Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Titel: Franziskus, der neue Papst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Biallowons
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gegenüber allen Kirchen; einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens.«
    München, März 2013

WAS BLEIBT: DAS ERBE BENEDIKTS XVI.
    M anchen Sätzen hört man nicht an, dass sie Geschichte schreiben werden. Manchen Szenen sieht man nicht an, dass sie die Welt verändern werden. Diese Sätze und Szenen erhalten erst später in der Rückschau ihren gesamten Sinn, erschließen sich erst dann dem Zuhörer oder Betrachter. Auf einmal ergeben alle Ungereimtheiten einen Sinn, fügen sich viele Kleinigkeiten zu einem großen Ganzen. So wie die Szene, die sich am 18. April 2005 in der wichtigsten Kirche der Welt abspielt, im Petersdom zu Rom. Später werden die Chronisten und Augenzeugen diesen Moment tausendfach beschreiben und analysieren. Doch jetzt an diesem Montagvormittag weiß noch keiner um die Bedeutung dieses Augenblicks. Des Augenblicks, in dem ein schmaler, weißhaariger Mann mit leuchtend rotem Gewand zu sprechen beginnt. Der Name des Mannes lautet Joseph Ratzinger, er ist Kardinal und Vorsitzender der Glaubenskongregation. Der Deutsche wurde 2002 zum Kardinaldekan gewählt und ist seit dem Tod Papsts Johannes Paul II. der mächtigste Mann der katholischen Kirche. Deshalb ist es Ratzinger, der bei der Messe »Pro eligendo papa«, die stets vor dem Beginn des Konklaves stattfindet, die Predigt hält. So steht er nun da, im Mittelpunkt der Christenheit, im wortwörtlichen wie übertragenen Sinne. Hinter ihm die vier kolossalen Säulen des Bernini-Altars im Zentrum des Petersdoms. Vor ihm seine wahlberechtigten Kardinalskollegen, in drei Stuhlreihen sitzend. Ratzinger wendet sich an sie und zugleich an die gesamte Welt, als er an diesem Montagvormittag zum Kampf gegen den Relativismus und für Wahrheit aufruft. Der 78-Jährige erinnert an die »Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt« und an das Johannes-Evangelium, in dem es heißt: »Ich habe euch dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.« Und der deutsche Glaubenspräfekt fährt fort: »Wir müssen Früchte hervorbringen, die bleiben. Alle Menschen wollen eine Spur hinterlassen, die bleibt. Aber was bleibt? Das Geld nicht. Auch die Gebäude bleiben nicht; ebenso wenig die Bücher. […] Die Frucht, die bleibt, ist daher das, was wir in die menschlichen Seelen gesät haben – die Liebe, die Erkenntnis; die Geste, die das Herz zu berühren vermag; das Wort, das die Seele der Freude des Herrn öffnet. Brechen wir also auf und bitten den Herrn, er möge uns helfen, Frucht zu bringen, eine Frucht, die bleibt.«
    Minuten später endet Joseph Ratzinger. Seine Mitbrüder aus dem Kardinalskollegium verharren still, beginnen zu grübeln. Wer mag damals bereits geahnt haben, dass diese Sätze Teil der Schlüsselszene und mitverantwortlich für das sind, was wenig später geschieht: eines der schnellsten Konklave der neueren Kirchengeschichte mit der Wahl ebenjenes Joseph Ratzingers zu Papst Benedikt XVI. Acht Jahre später ist Benedikt XVI. nicht mehr Papst und auch nicht mehr Kardinal, sondern seit dem 28. Februar 2013 zurückgetreten vom Amt des Nachfolgers Petri. Der Deutsche hat damit das bisher Unvorstellbare getan – liest man noch einmal die oben zitierten Sätze, so liegen die Fragen auf der Hand: Welche Frucht hat denn Benedikt XVI. nun gebracht? Hat dieser Papst die Herzen der Menschen berührt? Oder schlicht und einfach: Was bleibt von Benedikt XVI., dem Papst aus Deutschland?
    Als Johannes Paul II. verstarb, waren sich Experten und Laien einig: Was bleibt, das sind die Bilder. Die Aufnahmen vom skifahrenden Papst, vom »eiligen-heiligen« Vater, vom Energiebündel mit Pileolus und Soutane. Zugleich die Fotos des leidenden Pontifex, des seiner Kraft und am Ende sogar seiner Stimme beraubten Papstes aus Polen, der sein Sterben öffentlich machte. Diese Bilder wird kaum einer vergessen und auch nicht das legendäre Zitat, das wie eine Bildunterschrift dabei steht: »Vom Kreuz steigt man nicht herunter.« Von Benedikt XVI. gibt es genauso Aufnahmen, ebenfalls beeindruckende. Dennoch werden es weniger die Bilder sein, die bleiben, vermutlich eher schon seine Bücher.
    Welch subtile Ironie also, dass ausgerechnet der »Bestseller-Papst« vor seiner Wahl gesagt hatte: »Auch die Gebäude bleiben nicht; ebenso wenig die Bücher.« Jedenfalls hat in der Neuzeit kein Nachfolger Petri so viel geschrieben

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