Franziskus, der neue Papst (German Edition)
17. März 2011 die Resolution 1973, mit der die Einrichtung einer Flugverbotszone beschlossen wurde, die der Ausgangspunkt für den Sieg der Rebellen war. Drei Jahre zuvor hatte Benedikt XVI. an jedem 18. April in New York über diese »R2P« gesprochen und gemahnt: »Die Anerkennung der Einheit der Menschheitsfamilie und die Achtung vor der jeder Frau und jedem Mann innewohnenden Würde erhalten heute einen neuen Auftrieb im Prinzip der Schutzverantwortung. Dieses Prinzip ist erst kürzlich definiert worden, aber es war implizit schon in der Anfangszeit der Vereinten Nationen vorhanden und kennzeichnet jetzt immer mehr ihre Tätigkeit«, führte Benedikt XVI. aus und forderte dementsprechend: »Jeder Staat hat die vorrangige Pflicht, seine Bevölkerung vor schweren und wiederholten Verletzungen der Menschenrechte zu schützen wie auch vor den Folgen humanitärer Krisen, die sowohl von der Natur als auch vom Menschen verursacht werden. Wenn sich herausstellt, dass die Staaten nicht in der Lage sind, einen solchen Schutz zu garantieren, steht es der internationalen Gemeinschaft zu, mit den von der Charta der Vereinten Nationen und anderen internationalen Übereinkommen vorgesehenen rechtlichen Mitteln einzugreifen. Das Handeln der internationalen Gemeinschaft und ihrer Institutionen darf, soweit sie jene Prinzipien respektiert, die der internationalen Ordnung zugrunde liegen, nie als eine ungerechtfertigte Nötigung oder eine Begrenzung der Souveränität verstanden werden. Vielmehr sind es die Gleichgültigkeit oder das Nichteingreifen, die tatsächliche Schäden verursachen.« Diese Worte waren ein klarer Auftrag, und das von einem Mann, der eine Institution leitet, deren Gründer seine Anhänger einmal aufgefordert hat, auch die andere Wange hinzuhalten. Benedikt XVI. mag an diesem Freitag im Jahr 2008 kein beeindruckender Redner gewesen sein. Aber er war etwas, was man von ihm kaum erwartet hatte. Benedikt XVI. war Realpolitiker.
Die Realpolitik, die der zurückgetretene Pontifex betrieben hat, war erfolgreicher als gemeinhin angenommen und oft unterschätzt. Wahr ist aber auch, dass sie in manchen Fällen schonungslos und schmerzhaft ihre Grenzen aufgezeigt bekam. Der syrische Despot Baschir al-Assad scherte sich nicht um Mahnungen und Warnungen und ließ sein eigenes Volk weiter einen erschütternden Blutzoll entrichten. In China kümmerte und kümmert sich das Regime wenig um die Proteste des Vatikans und ließ Anhänger der christlichen Untergrundkirche willkürlich verhaften. Und die schlimmsten Christenverfolgungen aller Zeiten haben eben nicht unter einem römischen Diktator wie Diokletian im 4. Jahrhundert, sondern in Regimen wie Nordko rea oder sogar Demokratien wie Indien im 21. Jahrhundert statt gefunden. Der Heilige Stuhl erhob seine Stimme, wurde aber von Skrupellosigkeit und Fanatismus niedergeschrieben. Und Divisionen, da hatte Josef Stalin Recht, besitzt der Papst nicht.
Benedikt XVI. hat seinen Schmerz über diese Ohnmacht oft zum Ausdruck gebracht. Zugleich hat der Vatikan mit dem Deutschen an der Spitze versucht, auf anderen Wegen Einfluss in der politischen Sphäre auszuüben. Man könnte diesen Einfluss, der von Rom ausging, als »Soft Power« bezeichnen. Dieser Begriff geht zurück auf Joseph S. Nye jr. Der Politologe versteht darunter eine bestimmte Art und Weise, wie Staaten oder internationale Organisationen Einfluss nehmen. Erstmals hatte der US-Amerikaner den Termin in seinem Buch »Bound to lead: the changing nature of American power« verwendet, das im Jahr 1990 erschienen ist. »Soft Power« ist im Gegensatz zur »Hard Power« eine Strategie, die die indirekte Einflussnahme bevorzugt. Während »Hard Power« auf den Einsatz von militärischen und wirtschaftlichen Faktoren setzt, versucht die »Soft Power« durch ästhetische oder moralische Werte zu wirken. Auf diese Weise, so Nye, wird der eigene Staat oder die eigene Organisation zum Vorbild und bringt andere dazu, sich den verkörperten Werten anzupassen oder sie gar zu übernehmen. Auf diese Weise wirkt die »Soft Power« indirekt, weil sie zwar keinen unmittelbaren Einfluss nimmt, jedoch erst die Ausrichtung eines anderen Staates und dadurch als Folge seine Strategie verändert. Einfacher erklärt: »Hard Power« funktioniert wie gewichtreduzierende Mittel bei einer Diät. Direkt und unmittelbar. »Soft Power« würde analogerweise bedeuten, zu verdeutlichen, weshalb weniger Gewicht ein lohnenswertes Ziel wäre und als Folge
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