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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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noch ihn sehen kann. Auf meinem Block, mit meinem Bleistift, bitte ich Manus schriftlich, sie mir zu zeigen.
    »Als ich klein war, haben wir Dobermann-Hunde gezüchtet«,
sagt er hinter den Fotos. »Wenn so ein Welpe sechs Monate alt ist, lässt man seine Ohren und den Schwanz kupieren. Das ist der Stil für diese Hunde. Man geht in ein Motel und trifft dort einen Mann, der von Bundesstaat zu Bundesstaat reist und Tausenden von Dobermännern oder Boxern oder Bullterriern die Ohren und Schwänze abschneidet.«
    Auf meinen Block schreibe ich mit Bleistift:
    soll heißen?
    Und ich wedele damit in seine Richtung.
    »Das soll heißen, dass derjenige, der dir die Ohren abschneidet, der ist, den du dein ganzes Leben lang hassen wirst«, sagt er. »Weil man seinen regulären Tierarzt den Job nicht machen lassen will, bezahlt man einen Fremden dafür.«
    Immer noch ein Foto nach dem anderen betrachtend, sagt Manus: »Das ist der Grund, warum ich dir das hier nicht zeigen kann.«
    Irgendwo da draußen, in einem Motelzimmer voller blutiger Handtücher und seinem Werkzeugkasten mit den Messern und Nadeln oder im Auto auf dem Weg zu seinem nächsten Opfer oder über einen Hund gebeugt, der betäubt und zerschnippelt in einer dreckigen Badewanne liegt, befindet sich der Mann, den eine Million Hunde hassen müssen.
    Neben meinem Bett sitzt Manus und sagt: »Du musst einfach deine Covergirlträume ad acta legen.«
    Der Modefotograf in meinem Kopf brüllt:
    Gib mir Mitleid.
    Blitz.
    Gib mir noch eine Chance.
    Blitz.

    Das ist das, was ich vor dem Unfall gemacht habe. Nennt mich eine Lügnerin, aber vor dem Unfall habe ich den Leuten immer erzählt, ich sei Collegestudentin. Wenn du ihnen erzählst, dass du Model bist, machen sie dicht. Dass du Model bist, heißt für sie, dass sie es mit einer niederen Lebensform zu tun haben. Sie fangen an, wie mit einem Kind mit dir zu reden. So simpel wie möglich. Aber wenn du sagst, du seist Collegestudentin, sind die Leute schwer beeindruckt. Du kannst egal was studieren und brauchst keine Ahnung von nichts zu haben. Sag einfach Toxikologie oder Meeresbiokinese, und die Person, mit der du dich unterhältst, wird das Thema wechseln und lieber von sich selbst sprechen. Falls das nicht funktioniert, bring mal kurz die neuronalen Synapsen von Taubenembryos zur Sprache.
    Früher mal war ich tatsächlich Studentin. Ich habe ungefähr sechzehnhundert Scheine für einen Abschluss in Personal Fitness Training gemacht. Von meinen Eltern höre ich, dass ich inzwischen Ärztin sein könnte.
    Tut mir leid, Mom.
    Tut mir leid, Gott.
    Es gab eine Zeit, wo Evie und ich durch die Tanzclubs und Bars gezogen sind, und da standen immer Männer vor der Damentoilette, um uns abzufangen. Typen, die einem erzählten, sie würden Darstellerinnen für einen TV-Werbespot suchen. Man kriegte eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und wurde gefragt, bei welcher Agentur man ist.
    Es gab eine Zeit, wo meine Mutter mich besuchte. Meine Mom raucht, und als ich am ersten Nachmittag von einem Dreh nach Hause komme, hält sie mir ein Streichholzbriefchen unter die Nase und sagt: »Was hat das zu bedeuten?«

    Sie meinte: »Bitte, sag mir, dass du nicht auch so eine liederliche Schlampe bist wie dein armer toter Bruder.«
    In dem Streichholzbriefchen stand der Name eines Typen, den ich nicht kannte, und eine Telefonnummer.
    »Das ist nicht das Einzige, was ich gefunden habe«, meinte Mom. »Was treibst du hier?«
    Ich rauche nicht. Das sage ich ihr. Diese Streichholzbriefchen türmen sich bei mir, weil ich zu höflich bin, sie nicht anzunehmen, und zu sparsam, um sie einfach wegzuschmeißen. Deswegen braucht es eine ganze Küchenschublade, um sie unterzubringen, alle diese Männer, an die ich mich nicht erinnern kann, und ihre Telefonnummern.
     
    Springt zu irgendeinem Tag ins Krankenhaus, vor die Praxis der Sprachtherapeutin. Die Krankenschwester führt mich am Ellbogen herum, damit ich Bewegung kriege, und wie wir um eine Ecke biegen, sitzt da, hinter der offenen Praxistür, boing, Brandy Alexander, in der Pracht ihrer Prinzessin-Alexander-Pose, bekleidet mit einem schillernden hautengen Vivienne-Westwood-Einteiler, der bei jeder Bewegung die Farbe verändert.
    Vogue vor Ort.
    Und der Modefotograf in meinem Kopf schreit:
    Gib mir Staunen, Baby.
    Blitz.
    Gib mir Verblüffung.
    Blitz.
    Die Sprachtherapeutin sagte: »Brandy, Sie können Ihre Stimmlage erhöhen, wenn Sie Ihren Kehlkopfknorpel anheben. Das ist der Knubbel in Ihrem

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