Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Bockshorn jagen lassen. In Kampfkunst war sie mittlerweile trainiert. Sie hatte Plastikschlaufen dabei. Ihre Freunde von der Polizei hatten ihr gezeigt, wie man die dünnen weißen Riemen blitzschnell um die Handgelenke von Widersachern schlang und zusammenzurrte. Sie hatten sogar eifrig miteinander geübt. Ich sollte mehr Sport machen, dachte Katinka. Aber ich nehme mir zuviel vor. Kampfkunst, Schießen, Joggen. Ich muss endlich lernen, wie Tom sagt, mir nur eines auszusuchen und das zu machen.
Es knackte neben ihr. Sie war sicher, eine Ratte in dem Grau am Boden zu erkennen. Das Tier verschmolz mit der Dunkelheit.
Wolken kamen auf. Sie trieben schnell über den Himmel, verdunkelten einen Augenblick lang den Mond, gaben das silberne Licht wieder frei. Jetzt kam die Müdigkeit, das Bedürfnis nach Schlaf, vielleicht auch nur nach Abschalten. Katinka trank von Idas Tee. Er schmeckte malzig und kräftig. Sie beschäftigte ihre Gedanken mit Argumenten für Tee und gegen Kaffee und legte sich dann alles umgekehrt zurecht. Es vertrieb ihr die Zeit. Wahrscheinlich schmeckt dein selbstgekochter Tee nicht, weil du die billigen Teebeutel verwendest, sagte sie zu sich selbst.
Sie hörte die Gangschaltung eines Fahrrades. Es kam ganz nahe an ihr vorbei. Das leise Tickern knallte gegen Katinkas Ohren. Sie meinte, einen großen Mann mit krummem Rücken auf dem Rad zu erkennen. Wieder trieben Wolken vor den Mond. Die Düsternis drückte gegen ihr Brustbein. Sie zwang sich, regelmäßig zu atmen. Der Radfahrer fuhr ohne Licht. Das Tickern wurde leiser und erstarb, als das Rad davonrollte. Katinka legte eine Hand auf ihr Herz und wartete ab. Vielleicht tun mir die Handystrahlen nicht gut, dachte sie zweifelnd, es soll ja tierisch schädlich sein, das Mobiltelefon nah am Körper zu tragen. Sie überlegte ein wenig, ob sie sich überhaupt noch um all die Warnungen und Hiobsbotschaften in Sachen Gesundheit kümmern sollte, die von allen Seiten auf sie niederprasselten. Tom wischte Einwände aller Art beiseite und behauptete, seine Intuitionen seien stärker als der Lärm der Welt.
Katinka wagte einen kurzen Blick auf das beleuchtetes Zifferblatt ihrer Armbanduhr. Halb zehn. Langsam kroch ihr die Kälte die Beine hoch. Sie musste mal. Eine Szenerie, die sie hasste und in allen Tatort -Filmen vermisste. Die Fahnder mussten nie, und am allerwenigsten, wenn es brenzlig wurde. Katinka hockte sich hinter einen dicken Busch. In Idas Haus ging im ersten Stock Licht an. Dann in der Mansarde. Das war seltsam. Die Wohnung dort stand doch leer, jedenfalls hatte Ida es ihr so erzählt. Katinka zog die Jeans hoch und überlegte, ob sie bei Ida anrufen sollte, als das Licht verlosch und zeitgleich Schritte zu hören waren. Leise Tritte von Gummisohlen auf dem Weg. Sie hielt den Atem an. Griff nach der Waffe.
Jemand marschierte flott den Weg entlang. Er kam aus dem Dunkel des Waldes und hielt auf die Hainstraße zu. Ein weites Gewand flatterte im Nachtwind.
Der Reiter.
Ich bin der größte Idiot aller Zeiten, dachte Katinka. Jetzt stehe ich in all dem Laub und raschle wie ein Iltis. Sie stakste so leise und schnell sie konnte aus dem Unterholz zur Straße. Der Reiter öffnete Idas Gartentor. Schob sich in den dunklen Garten. Katinka machte, dass sie hinterherkam.
Der Spuk ging zielstrebig um Idas Villa herum. Katinka drückte sich in den Schatten der Hecke. Ein plötzlicher Windstoß riss ihm die Kappe vom Kopf. Er fuhr herum. Katinka warf sich unter die Sträucher. Zögernd ließ der Spuk den Blick schweifen, bevor er die Kappe aufhob, über seine Locken stülpte und auf die Terrasse zuging. Kurz sah Katinka sein Gesicht. Die Ähnlichkeit mit dem echten Reiter war verblüffend. Wer immer die Maske gemacht hatte, musste ein Profi sein. Aber dieses künstliche Gesicht dort spiegelte, anders als das echte Standbild, Brutalität und Kaltblütigkeit.
Katinka ließ ihm einen Vorsprung. Sie rappelte sich hoch und folgte ihm vorsichtig, die Waffe im Anschlag. Als sie das Klirren der Fensterscheiben hörte, rannte sie. Auf der Terrasse stolperte sie über ein abgebrochenes Stuhlbein. Unsanft fiel sie hin und schrappte mit dem Gesicht über die Fliesen. Sie brauchte einen kurzen Moment, um sich zu sammeln. Schmeckte Blut. Stützte sich auf, spürte die Pistole in der Hand, hievte sich auf die Knie und stand schon wieder. Wolken schoben sich vor den Mond. Der Garten färbte sich tintenschwarz.
Die Scheibe der Terrassentür war zerborsten. Überall
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