Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Vishnu.
»Komm schon, Katerchen«, flüsterte Katinka. »Na, komm!«
»Neue Ermittlungsmethode?«
Katinka fuhr hoch. Harduin Uttenreuther stand direkt hinter ihr, die Hände in den Jeanstaschen. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
»Ida Schencks Kater«, stellte Katinka das Tier vor. Sie grinste Vishnu an, der aufmerksam in ihre Richtung blickte, und sagte: »Vishnu, das ist Hauptkommissar Uttenreuther. Jede Wette, dass das nächste, was er sagt, ein Rausschmiss ist. Das ist nicht Ihr Fall, Palfy .«
Uttenreuther ging nicht auf Katinkas sarkastischen Ton ein.
»Da Sie es ja schon selbst wissen, brauche ich es Ihnen nicht noch mal zu erklären«, sagte er nur. »Aber wenn Sie mich lassen, fahre ich Sie heim.«
»Danke. Es sind nur ein paar Straßen«, winkte Ka-tinka ab.
»Und ein Knallkopf im Domreiterkostüm, der zudem noch ein Mörder ist, läuft durch die Nacht. Ich fahre Sie.«
Katinka zuckte die Schultern. Es war ihr, wenn sie ehrlich war, sehr recht, jetzt nicht allein den Heimweg zwischen den dunklen Villen antreten zu müssen.
»Vishnu hat ihren Mörder gesehen«, sagte sie. »Er könnte ihn vielleicht identifizieren.«
Sie hatte es scherzhaft gemeint, aber Hardo nahm es für ernst.
»Wir haben leider noch keine Methode, Katzen in Mordprozessen aussagen zu lassen. Gehen wir?«
Er legte Katinka den Arm um die Schultern, als sie an der offenen Küchentür vorbeigingen. Die Blutlache trocknete vor sich hin. Katinka fühlte sich ganz steif werden. Sie starrte auf die Überreste des Whiskeykuchens. Bevor die Tränen zu mächtig wurden, presste sie die Lippen aufeinander. Die aufgesprungene Stelle protestierte, und sie zuckte vor Schmerz zusammen.
Hardos Arm ging ihr auf die Nerven. Sie schüttelte ihn vorsichtig, aber bestimmt ab. Während er sich draußen von seinen Leuten verabschiedete, stieg sie in den schwarzen Golf.
Zwischen ihr und Harduin Uttenreuther gab es seit der Jagd nach dem Kirchweihkiller ein intimes Einverständnis. Der Kommissar schätzte Katinkas Know-how und ihre unkonventionellen Ideen. Wenn sie miteinander redeten, spiegelten sich Anziehung, Freundschaft, Konkurrenzdenken und Ironie in ihren Worten. Katinka erinnerte sich an jene Sommernacht vor knapp zwei Monaten. Sie steckten gerade in den aufregendsten Ermittlungen, die Katinka bisher erlebt hatte. Sie spürte dem kurzen, salzigen Kuss des Kommissars nach und sah vor sich, wie er eilig davongegangen war, als sei er auf der Flucht. Katinka war sich bis heute nicht sicher, was da eigentlich zwischen ihnen passiert war.
Der Golf wackelte, als der Kommissar auf der Fahrerseite einstieg und den Motor startete.
»Im Klartext, Palfy, zwei Sachen: Es ist nicht Ihr Fall. Soviel dazu, und ich lasse keine Diskussion zu. Zweitens: Wie machen Sie das, dass sie ständig über Leichen kullern?«
Katinka antwortete nicht. Sie war müde und lehnte ihren Kopf an die Scheibe.
Uttenreuther bestand nicht auf seiner Frage. Er hatte sie ernst gemeint, kein Zweifel. Für Zynismus in dieser Nachtstunde war selbst er nicht scharfzüngig genug. Statt dessen sagte er:
»Hat der Mörder Sie gesehen, so dass er Sie wiedererkennen könnte?«
»Ja, gestern«, sagte Katinka.
»Und heute Nacht?«
Katinka dachte lange nach. Der Wagen hielt vor dem gelben Backsteinhaus. Die Pizzeria im Erdgeschoss war schon dunkel.
»Nein, heute Nacht nicht«, sagte sie überzeugt. »Ich wette, er hat nicht mal gemerkt, dass ich wieder da war.«
Uttenreuther sah sie zweifelnd an. »Denken Sie, was ich denke?«
Katinka fuhr sich durch das kurze Haar. Sie hatte Sehnsucht nach einer heißen Dusche. Dennoch war ihr klar, was der Kommissar meinte.
»Sie denken, er hat sie umgebracht, weil … er bemerkt hat, dass sie sich gegen die Spukerei zu wehren beginnt?«
»Indem sie eine Privatdetektivin engagiert, die sie schützen soll.«
Katinka zuckte zusammen. Ihr Herz beschleunigte seinen Schlag.
»Ich …«
»Palfy«, sagte Hardo ruhig. »Sie trifft keine Schuld. Das müssen Sie lernen, das vor allem anderen. Vor der Kaltblütigkeit eines Mörders gibt es keinen hundertprozentigen Schutz.«
Katinka seufzte. »Ich weiß«, sagte sie. »Theoretisch.«
»Dann lassen Sie dieses Wissen mal ganz nach innen durchsickern. Herz, Seele, Geist.«
»Ja. Aber jemand anderes hätte es besser gemacht. Hätte ihn rechtzeitig überwältigt. Hätte Ida eingeschärft, sich im oberen Stockwerk zu verschanzen. Hätte …«
»Und hätte und hätte und hätte. Das ist Unsinn, das wissen
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