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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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sie geträumt hatte! Und obwohl sie längst nicht mehr an den Spruch ihrer Großmutter glaubte, wonach der Traum der ersten Nacht in einem fremden Bett in Erfüllung ging, blieb ein fader Geschmack zurück, als sie an die düsteren Bilder und die gellenden Schreie dachte, die sie verfolgt hatten. Sie hätte sogar Stein und Bein geschworen, dass sich ihr Bett bewegt hatte.
    Susann e schüttelte sich und kuschelte sich bis zur Nasenspitze unter ihre Decke. Das war natürlich blanker Unsinn. Die Dämmerung zog gerade auf und das Schiff befand sich nach wie vor im sicheren Hafen. Außerdem war sie in der vergangenen Nacht nüchtern zu Bett. Also, was sollte da schwanken?
    „Halb sieben“, murmelte sie schlaftrunken und drehte sich auf die andere Seite. Solange der Funkoffizier nicht an Bord war, brauchte sie um diese nachtschlafende Zeit nicht auf den Beinen zu sein.
    Trotzdem war etwas nicht so, wie es sein sollte.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie einen großen, unförmigen Schatten neben sich wahr. Mit einem schrillen Aufschrei schoss sie kerzengerade in die Höhe. Geschockt, dann mehr und mehr erbost starrte sie in das Gesicht eines fremden Mannes, bis sie schlussendlich die drei Ärmelstreifen auf der Uniformjacke bemerkte. Sollte dies etwa der Chief Mate sein? Und wenn schon …
    Sie holte tief Luft und öffnete den Mund, um ihrer Entrüstung wortreich Ausdruck zu verleihen, als der Nautiker einen Schritt näher an ihr Bett trat und den Kopf bedächtig schüttelte.
    „Tz, tz, tz. Na, sieh mal einer an, was sich da zu uns an Bord verlaufen hat. Hoffentlich kein Einschleicher? So was mögen wir gar nicht. Man kann nie vorsichtig genug sein mit solchem Pack. Und da können wir natürlich auch keine Ausnahme machen für ein kleines Fräulein wie Sie.“
    Sie spürte, wie ihre Ohrläppchen heiß wurden. „Ich bin kein blinder Pa…“
    „ Da kann sich die Gangway-Wache schon mal warmlaufen. Und? Ist Ihnen inzwischen eingefallen, wer Sie sind? Ich kann mich nicht erinnern, Sie hier schon einmal gesehen zu haben.“
    „Zu Ihrer geschätzten Information: Ich kenne Sie ebenso wenig“, fauchte sie mit glühenden Wangen und lächelte gleich darauf süßlich, „und offensichtlich habe ich damit nicht das Geringste verpasst.“
    Sie fühlte die Augen des Mannes wie Hände über ihren Körper wandern. Hastig zog sie die Bettd ecke dichter um ihre Schultern. „Ich bezweifle ganz stark, dass Sie das interessieren sollte. Mein Gesicht ist immer noch hier oben. Im Übrigen war es die glorreiche Idee Ihres Kapitäns, mich in dieses Loch zu stecken, weil die Kammer für Springer belegt ist, sodass der …“
    „Das wird auch so bleiben“, fiel ihr der Chief Mate erneut ins Wort. Er hatte sich lässig an den Kleiderschrank gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, als beabsichtigte er nicht, sie so bald wieder in Ruhe zu lassen. Abschätzend und mit einer gewissen Schadenfreude betrachtete er Susanne von oben herab. „Wir werden zwei Mitarbeiter der Reederei und Passagiere während der Fahrt an Bord haben. Ziehen Sie sich also an und packen Sie Ihren Krempel zusammen. Und zwar heute noch! Nach dem Frühstück melden Sie sich bei mir und dann werden wir sehen, wo für Sie ein Plätzchen frei ist.“
    D ie Tür fiel hinter dem Chief Mate ins Schloss.
    Susanne presste beide Hände auf die Brust, hinter der ihr Herz tobte. Mit einem unterdrückten Seufzer sackte sie auf das Kissen zurück und murmelte ein Wort, das sie für den absoluten Ausnahmefall reserviert hielt. So hatte sie sich weder den ersten, noch den zweiten Tag an Bord vorgestellt. Was hatte sie an sich, dass der Morgen genauso grausam begann, wie der Abend zuvor geendet hatte? Am liebsten hätte sie ihren Frust aus sich herausgebrüllt, was in solchen Situationen meist half, aber noch kannte sie ihre Kammernachbarn und deren Reaktion auf Wutausbrüche nicht. Oder wohnte etwa gar keiner neben ihr, der ihre Hilfeschreie hätte hören können? Nach dem gestrigen Abendessen hatte sie sich ganz dünn gemacht und war flugs in ihrer Kammer verschwunden in der Hoffnung, niemand würde sie ansprechen.
    Jetzt bedauerte sie, sich nicht genauer umgesehen zu haben. Mühsam unterdrückte sie den leichten Anflug von Aggression und schwang ihre nackten Beine aus dem Bett.
     
    „Sie können die Kammer der Oberstewardess beziehen. Zumindest vorübergehend.“ Der Chief Mate zwinkerte Susanne vertraulich zu, als sie sich wie befohlen nach dem Frühstück bei ihm meldete.

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