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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Es ist eine Katastrophe, und zwar für dich. Eine verschobene Ehe, das kann nicht gut gehen. Da können wir gleich den Scheidungstermin festlegen. Entscheide dich, Paula. Ich bin nicht bereit, mich zum Gespött machen zu lassen. Ich lasse mich nicht am Nasenring durch die Manege führen. Ich bin ein erwachsener Mann, und du mit deinen neunzehn Jahren solltest langsam erwachsen werden. Wenn dumich heiraten willst, einverstanden. Ich habe dich gefragt, du hast Ja gesagt, und dabei sollte es bleiben.«
    Ich saß mit hochrotem Kopf auf dem Bett und zog die Nähnadel immer wieder durch denselben Hemdenknopf.
    »Es ist eine ganz große Chance für mich, Hans. Kannst du denn das überhaupt nicht verstehen?«
    »Ja, das sehe ich genauso. Die Heirat mit mir ist die größte Chance, die dir in deinem Leben geboten wird. Greif zu oder lass sie dir entgehen. Ein Drittes gibt es nicht.«
    »Es ist nur diese eine Woche, Hans. Ich habe in Berlin angerufen, es gibt nur diesen einen Termin. Wenn ich ihn nicht wahrnehme, muss ich ein ganzes Jahr warten. Verstehst du das nicht? Du hast doch studiert, du weißt doch, wie wichtig ein Prüfungstermin ist.«
    »Wichtiger als die Hochzeit? Ich hatte gedacht, dafür, für mich, würdest du alles opfern.«
    »Ja, Hans, aber sei doch vernünftig. Wir brauchen die Hochzeit nur um eine einzige Woche zu verschieben.«
    »Das habe ich nicht vor. Wir haben uns gemeinsam für den Achtzehnten entschieden, dabei bleibt es.«
    Ich erwiderte nichts und sah ihn ganz ruhig an. Mach jetzt nur noch einen einzigen Fehler, dachte ich, dann stehe ich auf und gehe, und wir haben uns das letzte Mal gesehen, denn du wirst mich nicht vom Studium abhalten. Doch er atmete nur schwer und ging in sein Zimmer. Eine halbe Stunde später öffnete er nochmals die Schlafzimmertür, um zu fragen, ob ich nicht endlich Abendbrot machen wolle.
    Wir saßen uns schweigend in der Wohnküche gegenüber, Hans stocherte missmutig in seinem Salat und aß dann hastig die vorbereiteten Brote, ich spielte mit einem Löffel und schnitt eine Tomate in immer kleinere Stücke, ohne sie zu essen. Nach dem Essen setzte er sich vor denFernsehapparat und schaute sich eine Sportsendung an. Ich deckte den Tisch ab, wusch das Geschirr und räumte es in den Küchenschrank. Dann ging ich ins Schlafzimmer, zog mich aus und weinte mich in den Schlaf. Eine Stunde später kam Hans und legte sich neben mich. Er hatte die Tageszeitung mitgebracht und blätterte sie, den Rücken gegen das Kopfteil gelehnt, langsam durch. Als er bemerkte, dass ich wach geworden war, faltete er das Blatt zusammen, warf es neben das Bett und löschte das Licht. Er tastete nach mir. Als ich mich wegdrehte, rollte er sich mit einer einzigen Bewegung zu mir, streifte mein Nachthemd hoch, streichelte mich so achtlos und hastig zwischen den Beinen wie bei einer vorbereitenden Massage und drang dann in mich ein. Ich hatte den Kopf zur Seite gedreht, die Tränen liefen langsam auf das Kopfkissen, während er meinen Hals und meine Stirn küsste.
4.
    Einen Tag vor Beginn der Prüfungen fuhr ich nach Berlin, meine Freundin Katharina erwartete mich auf dem Bahnsteig. Als ich ausstieg und sie sah, ließ ich die Reisetasche und die große Mappe auf den grauen Beton fallen und hüpfte vor Freude. Wir umarmten und küssten uns heftig und begrüßten uns so lautstark, dass andere Reisende uns musterten. Dann schob mich Katharina auf Armlänge von sich weg, um mich von Kopf bis Fuß zu betrachten und mir zu versichern, ich sei seit unserer letzten Begegnung noch schöner geworden. Ich wurde rot und sagte, sie sei doch schon immer die Schönere von uns beiden. Wir nahmen das Gepäck und gingen zum Bahnsteig der Stadtbahn. Unterwegs schwatzten wir, aufgeregt und uns gegenseitig ins Wort fallend. Nachdem wir in den Wagender S-Bahn eingestiegen waren und der Zug abfuhr, schlug Katharina sich vor Schreck die Hand vor den Mund und sagte, sie habe in der Eile vergessen, für uns einen Fahrschein zu lösen, worauf wir beide in lautes Gelächter ausbrachen. Ich legte einen Arm um ihren Kopf, zog ihn zu mir und drückte meinen dagegen. Wir verstummten und verbrachten den Rest der Fahrt eng aneinandergelehnt und vor uns hin träumend.
    Katharina besaß eine kleine Wohnung in der Sredzkistraße, ein Zimmer mit Küche und einer Toilette, in der gerade noch ein Waschbecken Platz gefunden hatte. In der Küche hatte sie eine transportable Dusche aufstellen lassen. Dieser hohe schmale Schrank mit

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