Frau Schick macht blau
Professor mit Eisenkugeln am Fußgelenk und einem Bart bis zu den Knien vorzustellen. Sie tröstet sich mit ein paar Hoffnungsfunken, während sie aus dem Bett und in frische Kleidung schlüpft.
Nelly hat bereits eine recht hübsche Idee, wie Niklas zu helfen ist. Könnte glatt von mir stammen, findet Frau Schick und tappt über einen federnden Holzboden zu ihren Schuhen.
Nun, streng genommen stammt die Idee natürlich von Niklas. Der Junge besitzt nicht nur Mumm, wie sein Nachtausflug bewiesen hat, sondern auch Talent für vorausschauendes Handeln und fantasievolle Lösungsstrategien. Seine schauspielerische Begabung nicht zu vergessen! Damit lässt sich arbeiten.
Nelly muss dem Knirps lediglich seinen Hang zu betrüblichen Alleingängen und übertriebener Verschwiegenheit abgewöhnen. Den hat Niklas eindeutig von seinem Opa geerbt! Genau wie die Furcht vor unbelehrbaren Amtsschimmeln. Pah, so stur und tückisch wie Deutschlands Bürokratie und Justiz ist sie gleich dreimal.
Nun, eins nach dem anderen, bremst sich Frau Schick. Sie darf nichts überstürzen, sonst gerät sie völlig durcheinander und vergisst die Hälfte. Sie schnürt sich die Schuhe zu und runzelt, um äußerste Konzentration bemüht, die Stirn, um die lange Liste aller heute anstehenden Aufgaben zu memorieren.
Also: Für neun Uhr hat sich Dr. Kubuleit zur Waldinspektion angesagt. Hoffentlich hat Popesch bis dahin seine Hamster und das andere Getier in Stellung gebracht. Bloggers Juchtenkäfer sind nämlich leider partout nicht aus ihren Baumhöhlen hervorzulocken. Kein Wunder, dass die dummen Dinger auch Eremitenkäfer genannt werden. Von den Männchen heißt es sogar, dass sie ihre Höhle lebenslang überhaupt nicht verlassen.
Die Weibchen sollen etwas unternehmungslustiger sein, aber in Bloggers Baumhaus leben, wie es scheint, nur hartnäckige und paarungsunwillige Junggesellen, die nicht genügend Aprikosenduft absondern, um als Verführer punkten zu können. Becky hat ihr gestern Abend noch Internetbilder von den Käfern gezeigt und mit ihrer Hilfe einen Geheimplan B entwickelt, in dem ein entzückender Häkelmini die Hauptrolle spielt.
Im Bett von Herrn Engels bebt das Deckengebirge. Walküre Pracht schießt schlaftrunken in die Höhe.
»Sie sind ohne mich aufgestanden?«, fragt sie erstaunt und sichtlich beleidigt.
»Das mache ich seit beinahe 78 Jahren so«, biestert Frau Schick, die sich mit dem Anblick der schlaftrunkenen Frau Pracht in Ludwigs Bett nicht versöhnen mag. Die Walküre gehört da eindeutig nicht rein! Und ihre Idee, den Professor zu heiraten, um dann Niklas’ rettende Omi zu spielen, behagt ihr schon gar nicht. Auf was für dumme Gedanken die Walküre immer kommt! Kein Wunder, dass der arme Popesch so vergrätzt und traurig war.
»Ich mach dann mal Frühstück«, kündigt ihre Bettgenossin an und erhebt sich ächzend.
»Nichts da«, entscheidet Frau Schick. »Ein Kaffee genügt. Nur eine hungrige Armee ist eine gute Armee!« Da Frau Pracht sehr enttäuscht guckt, setzt Frau Schick gnädig hinzu: »Aber Sie dürfen eine Tarotkarte ziehen.« Mit der Karte vom gesprengten Turm lag die Walküre vorgestern immerhin erstaunlich richtig.
»Schauen Sie mal nach, was über Dr. Kubuleit in den Karten steht!«, befiehlt Frau Schick und ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden: Frau Pracht zieht Karte null, den Narren.
33.
Dr. Kubuleit spaziert durch den Wald wie ein Hans-guck-in-die-Luft. Nach einem Narren sieht er dabei jedoch nicht aus, eher wie eine verdrießliche Eule, die lange keine Maus mehr abbekommen hat. Das bebrillte Haupt in den Nacken gelegt, begutachtet der drahtige Landschaftsschutzbeamte die Bäume, nimmt mit Akribie Eichenrinden unter die Lupe, klopft mit strenger Miene Totholz ab und fachsimpelt mit Blogger über sein Lieblingsthema Käferkunde und Mulmhöhlen. Leider haben sie bislang noch keine entdeckt.
Das betrübt selbst Frau Schick tief. Mit Frau Prachts Fernglas bewaffnet, forscht sie eifrig nach Mulmhöhlen, obwohl sie nach einer wenig appetitlichen Angelegenheit klingen.
Soweit sie es verstanden hat, handelt es sich bei Mulmhöhlen um Löcher im Baum, die mit verwesten Insekten, faulenden Baumpilzen, viel Bakterien und Käferkot gefüllt sind und somit die Traumbehausung für männliche Juchtenkäfer darstellen.
Kein Wunder, dass die Aprikosenduft absondern müssen, um Weibchen anzulocken! In ihren Junggesellenhöhlen muss es entsetzlich müffeln. Kubuleit ist trotzdem ganz wild darauf, denn
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