Frau Schick räumt auf
wirkungsvollen Trick: Sie hat Bettina beim Frühstück um ihre Hilfe und Begleitung beim Wandern gebeten, falls sie ermüdet, bevor Herberger sie mit dem Auto auflesen kann.
»Sie haben doch Ihre neue Stütze und Hilfskraft Nelly dabei«, hat Herberger, der ihnen gegenüber saß, gebrummt. Wahrscheinlich war der Gute noch beleidigt, weil er Nelly in der Nacht vom Fahrstuhl ins Bett tragen musste und dadurch seine Verabredung mit Jesus am Barpiano verpasst hat. Man kann Männerfreundschaften aber auch übertreiben!
»Nelly hat erst mal einen Tag Urlaub. Sie muss sich einarbeiten«, hat Frau Schick gekontert und den Kellner mit Orangensaft und Aspirin auf Nellys Zimmer geschickt.
»Was heißt denn ›Rollmops‹ auf Spanisch?«, hat sie Herberger vorher gefragt, um ihn zu ärgern. Dass es in Spanien keine Rollmöpse gibt, war ihr ja klar.
Der Herberger hat’s trotzdem ernst genommen und ist endlich in Schwung gekommen. »Frau Schick, ich bin nicht Ihr Dolmetscher, als solchen haben Sie schließlich Ihre Nelly eingestellt, und außerdem gibt es in Spanien keine Rollmöpse!«
»Aber bestimmt etwas Ähnliches«, hat Frau Herberger insistiert. »Austern mit Zitrone oder von mir aus Jakobsmuscheln in Essig. Die kann man doch sicher auch essen, oder sind die zu heilig?«
»Nein, sie sind eine geschätzte Delikatesse, aber in guter Qualität gibt es sie erst in Galizien und Santiago. Das ist berühmt für seine Meeresfrüchte.«
Der Busfahrer hat eingelegte Peperoni empfohlen, Bettina Globuli mit dem unappetitlichen Namen »Brechnuss«, und schließlich ist – auf Herbergers Anraten – Paolo hinaufgegangen und hat Nelly ein Mineralpräparat verabreicht. Der falsche Jesus ist schließlich ein richtiger Arzt, auch wenn er das anscheinend gern vergisst.
»Ich glaube, ich sollte mich überhaupt einmal für Ihre Anteilnahme und Fürsorglichkeit bedanken«, versucht Frau Schick es weiter mit Bettina. »Sie sind mir ein echter Trost, wissen Sie.«
Bettinas Puppenaugen verschatten sich. Sie wendet den Blick ab.
Was ist denn mit der los? Gestern beim Abendessen war sie noch ganz anders, da wollte sie alles über Frau Schicks Ansichten zu Gott wissen und ihre Andachtserlebnisse in Burguete. Als ob sie die nicht in Teilen belauscht hätte! Warum ist Bettina jetzt mit einem Mal so schweigsam?
»Wissen Sie«, schmeichelt Frau Schick und legt Bettina die Hand auf den Arm. »Sie haben mir so überaus selbstlos und spontan Hilfe angeboten. Ich möchte von nun an wirklich höflicher sein.« Und verflucht nochmal herausfinden, was diese Bettina von ihr will! »In letzter Zeit bin ich … nun ja … manchmal ein wenig außer mir.«
»Sie verhalten sich den Umständen entsprechend weitgehend normal«, bringt Bettina gepresst hervor.
Jetzt wird sie aber frech! Hält Bettina sie etwa für eine verrückte Alte, nur weil sie bei ihren ersten Gehversuchen gestern ein bisschen gewackelt hat? Also wirklich, wer ist denn hier bekloppt! Frau Schick muss sich sehr zusammenreißen, aber das kann sie dank jahrelanger Übung ja.
Weil Hildegard recht offensichtlich die Ohren spitzt und wie durch Zufall gerade jetzt ihre Schuhe aufschnüren und neu binden muss, senkt Frau Schick die Stimme. »Ihre Hinweise auf die Kraft des Gebets waren sehr, sehr hilfreich«, raunt sie. »Und was die mystischen Kraftorte angeht, auch davon müssen Sie mir mehr erzählen. Da kann ich sicher noch einiges lernen.«
Bettina sagt immer noch nichts, schüttelt nur vage den Kopf.
»Sie dürfen mich ab jetzt auch alles fragen, was Sie wollen«, drängt Frau Schick leise. Was sie auf diese Fragen antworten wird, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt.
Bettinas Unterlippe zittert ein wenig. »Frau Schick, ich hätte das nicht tun sollen«, sagt sie leise. »Ich dachte wirklich, es sei zu Ihrem Besten.«
Frau Schick ist verblüfft. Dass ihre an Schopenhauer angelehnte Verhörmethode derart schnell fruchtet, hätte sie nicht erwartet. Die Delinquentin bricht ja förmlich zusammen! Nun, jetzt nur nicht locker lassen! »Aber natürlich haben Sie das gedacht! Eine so einfühlsame und hilfsbereite und sensible Frau wie Sie! Ich würde nicht im Traum darauf kommen, dass ausgerechnet Sie mir etwas Schlechtes wollen.«
»Das will ich auch nicht, aber … Es ist eben mein Beruf … und ich, ich brauche das Geld …«
Herrjemine!, die heult ja. Und zwar mehr als nur ein Tränchen. In ihrem Alter sieht das nicht sehr schön aus, sondern sehr verzweifelt, und die
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