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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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so nach schmallippigem, humorlosem, struppigem Endsechziger in grauer Joppe mit Krawatte drunter. Der Onkel meiner Freundin Uschi heißt Onkel Ernschtle, also ich weiß, wovon ich spreche. Wenn er Onkel Späßle geheißen hätte, wäre er vielleicht eine Frohnatur, aber so … Die Hebamme fragte Klaus, ob sie mal stören dürfe und ob er, wo er doch schon der Vater sei, die Nabelschnur durchschneiden wolle.
    Klaus hörte auf, die Klappe seiner Kamera von innen zu filmen und schnitt die Nabelschnur durch. Welch tiefer symbolischer Akt!
    Das Menschlein wurde nun gebadet, gewogen und gemessen, und es hatte schon in allem Übergröße und Übergewicht, ein Fall für »Weingarten kleidet Vater und Sohn« am Friesenplatz. Die werben damit, dass sie selbst für die Übergroßen noch Übergrößen führen.
    Der kleine, dicke, orangefarbene, schnaufende Kerl brachte fast zehn Pfund auf die Waage! Davon vierundzwanzig Gramm von entscheidender Bedeutung. Wenn das kein Grund zur Freude war!
    »Jauchzet auf, es ist gelungen!«, kam es mir Achte-Mahlermäßig in den Sinn.
    Und weil ich so sensibel veranlagt bin, musste ich ein bisschen weinen. Vor lauter Glück.
    Die Diva saß im Wochenbett und war bereit, die ersten Besucher zu empfangen. Ich hatte mich ein wenig hübsch gemacht, Kind, man weiß nie, wer zur Tür reinkommt, und ein reizendes rosa Stillnachthemd angelegt. Das kaschiert.
    Das schwitzende Schätzchen lag nachdenklichen Gesichts in seinem Glasbettchen und kniff die Äuglein zusammen. Ich war zu dem Entschluss gekommen, es Paul zu nennen. Erst mal, weil ich selbst Pauline heiße und man Abkömmlinge ja gern nach ihren Ahnen nennt, zweitens, um Onkel Paul eine Ehre zu erweisen, und drittens, weil es einfach aussah wie Paul. Nicht etwa wie Daniel oder Alexander oder Benjamin oder Patrick oder Dennis. So hießen die fünfzehn anderen Säuglinge auf der Station, und die waren alle vergleichsweise mager.
    Man hatte mir übrigens ein Einzelzimmer gewährt. Wahrscheinlich, weil ich Klaus Kletts Kindsmutter war. Am Krankenhausessen konnten meine Beziehungen zum Personal jedoch nichts ändern. Als ich den Kantinenauflauf in Plastikfolie im Blechnapf sah, stellte sich augenblicklich meine alte Breisucht wieder ein. Während der Schwangerschaft war ich vorübergehend frei davon gewesen. Diesmal spezialisierte sich mein abnormer Esstrieb ganz eindeutig auf Milchreis, und zwar den von Mühlmanns, aber ohne Rosinen. Klaus Klett musste mir in seiner spärlichen Freizeit Unmengen davon besorgen.
    Während ich auf Klaus und den Milchreis wartete, unterhielt ich mich ein wenig mit Tante Lilli.
    Ist er nicht süß, mein kleiner Sohn? fragte ich sie, wie früher um Anerkennung buhlend.
    Süß und unehelich! sagte Tante Lilli streng. Wie hast du dir denn sein weiteres Leben vorgestellt?!
    Was soll ich denn machen mit diesem Gerechten, begehrte ich auf. Zum Heiraten fällt mir so recht niemand ein!
    Stell dich nicht so an, Kind, sagte Tante Lilli streng. Du weißt genau, dass es nun deine Pflicht und Schuldigkeit ist, den Klaus Klett zu heiraten! Er ist schließlich der Vater deines Kindes! Du kannst ihn jetzt nicht einfach sitzenlassen! Und darüber hinaus ist er ein gediegener Mann. Ich habe einen Blick für Qualität! Den hatte Tante Lilli fürwahr. Ob es sich um »reine Schurwolle« beim Winterschlussverkauf handelte oder um »klassisch zeitlos« bei meinen Pubertätskostümen. Immer war ich ein wehrloses Opfer von Tante Lillis Blick für Qualität gewesen.
    Diesmal nicht! sagte der Schweinehund in mir. Einen Mann sucht frau sich nicht nach zeitlosem klassischen Schurwolle-Modell aus. Den muss sie lieben oder so. Jedenfalls steht das immer in den Romanen.
    Ich sagte schüchtern, dass ich Klaus Klett ja ausgesprochen nett fände, aber dass ich nicht vor Liebe jubeln würde.
    Kind, sagte Tante Lilli genervt. Meinst du denn, ich hätte Onkel Paul von Anfang an geliebt? So was kommt mit der Zeit. Man muss es nur wollen!
    Auf das tägliche Klavierüben mochte das ja zutreffen. Tante Lilli hatte mich jahrelang zum »Nur wollen« gezwungen, bis ich schließlich aus lauter Hassliebe Musik studierte. Ich hatte keine Lust, eine »Nur-wollen-Hassliebe« für Klaus Klett zu entwickeln. Der war mein Kindsvater und sonst nichts. Frau von heute hat sowieso verschiedene Männer: einen Kindsvater, einen Lebensgefährten fürs Grobe und einen Geliebten fürs Bett. Das hatte ich kürzlich am Wehenschreiber angekettet gelesen.
    Ich machte Tante Lilli

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