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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Emanzipationswelle in den Siebzigern. Für ein Kreißbett vielleicht nicht gerade die geeignete Lektüre, fürwahr.
    Endlich verebbte das Geschrei. Man hatte der Frau eine Rückenmarksspritze verpasst. Der Doktor erschien in meiner Zelle.
    »Na, und Sie? Von Ihnen hört und sieht man ja nichts! Tut sich denn gar nichts?«
    »Nein«, grollte ich. »Ich will nach Hause.« Wenn mich dieser Geburtshelfer endlich von den Gumminoppen befreien würde, die auf meinem prallen Bauch klebten, könnte ich mich endlich aufs Fahrrad schwingen. Sportlich war ich, drahtig und geradezu verbissen gut in Form.
    »Meine liebe Frau … äähh«, sagte der Doktor und guckte suchend in seinen Aktenordner.
    »Frohmuth«, sagte ich.
    »Frohmuth«, sagte der Arzt und grinste anzüglich. »Sie sind heute genau …« Er unterbrach sich erneut, um in seine Papiere zu starren.
    »Zwei Wochen über den Termin«, half ich nach.
    »Genau«, sagte der Doktor.
    »Also?«, sagte ich. »Kann ich jetzt schwimmen gehen?«
    »Mo-ment!«, sagte der Weißbekittelte. »Nun mal schön langsam. Meinen Sie nicht, dass Sie Ihre Schwangerschaftsgymnastik ein wenig übertreiben?«
    »Eigentlich nicht«, sagte ich trotzig. Ich wollte diesen ganzen schreienden Feiglingen mal beweisen, wie eine Indianerfrau sich verhält. Am besten beim Schwimmen gebären; das wäre doch originell.
    Der Doktor versteifte sich aber auf sein Vorhaben, an mir noch heute die Entbindung vorzunehmen.
    »Wir leiten ein«, sagte er entschlossen.
    »Was, jetzt?«, fragte ich entgeistert. »Ich bin mit dem Fahrrad hier!«
    Der Doktor reagierte genervt. »Jetzt hören Sie schon auf, hier die Heldin zu spielen«, sagte er böse. »So was wie Sie ist mir hier noch nie untergekommen!«
    Gut so, dachte ich. Ich bin eben einfach ausgesprochen originell in meiner ganzen Art!
    »Wollen Sie jemanden verständigen, dass er Ihre Sachen bringt?«, fragte der Arzt und zog eine Spritze auf. Ich überlegte. Eigentlich wollte ich niemanden verständigen. Indianerfrauen verständigen ja auch niemanden. Die hängen sich kurzzeitig an einen Baum oder verschwinden im Gebüsch, und dann ist die Sache erledigt.
    »Nö«, sagte ich. »Meine Sachen kann ich ja noch selbst holen.«
    »Mit dem Fahrrad, was?«, fuhr mich der Doktor an. Seine Humorlosigkeit musste mit der Hitze in Zusammenhang stehen.
    »Meinetwegen mit dem Taxi«, sagte ich versöhnlich.
    »Ja, haben Sie denn keinen Mann?«, schnauzte der Doktor gereizt.
    »Nö!«, sagte ich schadenfroh. Wie leicht sich dieser Mensch aus der Fassung bringen ließ!
    »Und Ihre Mutter?«, fragte er kraftlos.
    »Tante Lilli ist zur Kur in Bad Driburg«, sagte ich freundlich.
    Der Doktor verdrehte die Augen zur Kreißsaaldecke. »Und Ihre Freundin?«
    »Meine Freundinnen sind alle in Urlaub«, sagte ich sanft zu ihm. »Kein Mensch kommt bei diesem herrlichen Wetter auf die Idee, in Köln zu bleiben!«
    »Da haben Sie ausnahmsweise recht, Frau … FROHMUTH«, höhnte der Arzt. »Jedenfalls bleiben Sie jetzt hier. Heute Abend haben Sie Ihr Kind!« Er fragte NICHT, ob ich schon einen Kindersitz auf das Fahrrad montiert hätte, was ich ebenfalls unter Humorlosigkeit verbuchte.
    Damit ging er wieder nach nebenan, um bei der inzwischen beängstigend stillen Frau nach dem Rechten zu sehen.
    »Das glaubst du ja selbst nicht«, murmelte ich und vertiefte mich wieder in meinen Roman.
    Zwei Stunden später brüllte ich in Panik um Hilfe. Meine Eingeweide zogen sich dermaßen heftig zusammen, dass mir grün vor Augen wurde. Das Liegen auf dieser Pritsche war schier unerträglich. Die Nadel auf dem Wehenschreiber tanzte hysterisch auf und nieder. Kein Zweifel: Die Diva hatte Wehen!
    Alle meine kühlen Vorsätze, nicht den leisesten Laut über meine professionellen Lippen dringen zu lassen, waren dahin.
    »Schwester!«, brüllte ich. »Ich komme nieder!«
    Eine bebrillte Hebamme mit alternativer Hochfrisur erschien. Sie stammte nicht aus Fernost, sondern eindeutig aus der Kölner Öko-Szene. In meinem ganzen Weh bemerkte ich noch ihre Birkenstock-Sandalen.
    »Bleiben Sie ganz ruhig«, sagte sie sanft, und eine Aura von Müsli und geschrotetem Korn umwehte sie.
    »Atmen Sie ruhig ein und aus. Bald ist es soweit.«
    »Wann, bald?«, schrie ich ungehalten.
    »Das kann man nicht so genau sagen«, antwortete sie gütig. »Jede Wehe bringt Sie Ihrem Kind ein Stück näher.«
    Ich wollte nichts davon hören. Hundertmal hatten wir im Entspannungskurs bei Frau Rheingarten-Schlotterkamp solcherlei

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