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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Bank. Sonja sah eine gute Möglichkeit, Miriam zu entführen und zog sie hinter sich her. „Komm, wir schauen mal nach, wie es ihm geht.“ Während die anderen Schaulustigen eher zögernd aufstanden, huschten Sonja und Miriam zielstrebig zur letzten Bank. Als sie dort ankamen, nahm der Mann gerade das verblutete Tuch vom Gesicht und ließ sich ein frisches geben.
    Sonjas Augen wurden schmal. Sie hatte sich geirrt – das Blut kam nicht aus seiner Nase. Er hatte eine Verletzung quer über dem Gesicht. Drei blutige Spuren zogen sich von seiner linken Schläfe quer über den Nasenrücken bis hin zur rechten Wange. Falls er sich nicht an drei herausragenden Nägeln gekratzt hatte (was ihr sehr unwahrscheinlich vorkam), musste eine Krallenhand ihm diese Wunde zugefügt haben.
    Die Klaue eines Tieres.
    Sonjas Magen war schon den ganzen Tag über nicht das, was er hätte sein sollen, doch jetzt schien er sich in ihrem Bauch umzustülpen. Natürlich wusste sie, dass das, was sie jetzt dachte, rundweg unmöglich war, gegen die Naturgesetze und gegen alle Erfahrung und Vernunft, aber – konnte die Verletzung von den Krallen eines Schimpansen stammen? Eines kleinen Schimpansen aus Plüsch?
    Die Verletzung allein hätte sie niemals auf diese durchgeknallte Idee gebracht, aber da war die Episode mit Thorstens Big Jim-Figur, die vom Himmel fiel, und da waren die merkwürdigen Schreie, die nicht nach einem Vogel klangen und auch nicht nach irgendeinem anderen lebenden Tier, sondern vielmehr …
    Ö-ööh. Ö-ööh.
    Sonja musste nach oben. Sie musste so dringend nach oben, dass ihr sogar Miriam egal wurde, dass sie die Hand der Freundin einfach losließ und die Treppe hinaufstürmte. Sie stolperte auf der dritten oder vierten Stufe, schlug sich das Knie an, und als sie sich wieder aufrichteten wollte, half ihr jemand auf. Onkel Werner.
    „Sonnenschein, wohin so eilig? Weißt du, du solltest da nicht hochgehen“, sagte er eilig und stellte sich ihr mit abgespreizten Armen in den Weg.
    Das Mädchen war wie vor den Kopf geschlagen. „Wieso denn nicht? Den Organisten habe ich schon gesehen, das blutgetränkte Tuch auch. Wegen ein paar Bluttropfen auf den Orgelmanualen kippe ich schon nicht aus den Latschen. Flau im Magen ist mir schon. Was kann sonst noch da oben sein, was mir nicht guttut?“
    „Ein Missverständnis“, erwiderte Onkel Werner. „Es ist irgendein Missverständnis. Ehe klar ist, wie es zustande kommen konnte, solltest du es lieber nicht sehen.“
    Sonja konnte sich vorstellen, was für ein Missverständnis das war – Onkel Werner brauchte gar nicht in Rätseln zu sprechen. Sie hätte wetten können: Da oben lag irgendwo Freddy herum, blutverschmiert vielleicht. Und da es nicht sein konnte, dass ein Kuscheltier einen Menschen verwundete (die Firma Steiff im schwäbischen Giengen an der Brenz stattete ihre Produkte ja nicht mit echten Klauen aus), würden sich bald viele Menschen den Kopf zerbrechen, was auf der Orgelempore in den letzten Minuten tatsächlich vorgefallen war.
    Spontan ahnte sie voraus, welche Theorien man in den nächsten Minuten und Stunden aufstellen würde, sobald man die Polizei gerufen hatte. Der pensionierte Lehrer konnte sich die Verletzungen zum Beispiel selbst zugefügt haben. Möglicherweise litt er unter psychischen Problemen. Im Unterricht hatte er mitunter jene abstruse Form von Humor bewiesen, die manchen Mathematik-Lehrern eigen ist und die nur sie verstehen. Wahrscheinlich hasste er Kinder im schulpflichtigen Alter und war einfach ausgerastet. Natürlich hatte er Zugang zu dem Raum gehabt, in dem ihre Taschen untergebracht waren. Der Raum war nicht abgeschlossen. Theoretisch war es möglich, dass er Thorstens Actionfigur von dort oben in den Raum vor dem Altar geworfen hatte. Ebenso problemlos konnte er Sonjas Freddy an sich genommen, die Stofftier-Stimme imitiert und dann so getan haben, als wäre der Stoffaffe über die Tasten gehüpft und hätte ihn attackiert. Die Frage, was er mit dieser irren Inszenierung bezweckte, würde schwer zu beantworten sein, aber wenn er tatsächlich einen an der Waffel hatte, musste man die Antwort dem Psychologen überlassen.
    Des Weiteren würde man in Erwägung ziehen, ein Unbekannter könne den Organisten attackiert haben. Der Treppenaufgang lag im Schatten, wenn der Täter dunkle Kleidung trug, konnte er, den allgemeinen Schrecken ausnutzend, von der Empore nach unten geflohen sein. Ob er aber die Kirche verlassen konnte, schien ihr

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