Freibeuterin der Liebe - What a Pirate desires
innerlich. Aber die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, waren heiß.
Dann sah sie ihren Vater wieder. Das Gesicht so weiß wie sein Nachthemd, tänzelte er mit gezogenem Schwert um einen widerlich grinsenden Unhold herum. Sie wusste, dieser Kampf würde erst zu Ende sein, wenn einer der beiden tot wäre.
»Vater!«, rief Samantha erstickt, wollte zu ihm, wollte ihm helfen.
»Nein, Mädchen«, keuchte Joe.
Sie versuchte verzweifelt, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie konnte doch nicht tatenlos zusehen, wie ihre Familie ermordet wurde. Es kümmerte sie nicht, wenn sie dabei zu Tode käme - es wäre allemal besser als ein Leben ohne ihre Lieben. Was wäre das denn für ein Leben, wenn ihr Vater nicht mehr am Steuer hinter ihr stünde und sie alles über die Seefahrt und das Meer lehrte? Was wäre das für ein Leben, wenn ihre Mutter ihr abends keine Geschichten mehr erzählte, manche aus Büchern, andere selbst erdacht? Ohne die Geborgenheit, Wärme und Liebe wäre alles nichts. Sie wäre nichts.
Aber sie hatte keine Wahl. Mit einem hässlichen Grinsen auf dem bösen Gesicht kam einer der Piraten angestürmt. Joe packte sie wie einen Sandsack und hob sie, seine Verwundung ignorierend, hoch.
»Tief Luft holen!«, kommandierte er und warf sie über Bord.
Sie hatte gerade noch Zeit, den Mund zu schließen, bevor der karibische Ozean sie verschlang.
1
Fünf Jahre später
Alles in Samantha wehrte sich, als sie den schmalen Gefängniskorridor hinunterging. Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Kurz bevor sie die einzige besetzte Zelle erreichte, war sie drauf und dran, auf dem Absatz kehrtzumachen. Aber es half nichts - sie hatte keine Wahl.
Trotzdem widerstrebte es ihr, den Mann auch nur anzusehen. Er lehnte, die goldbraunen Arme vor der Brust verschränkt, an der schimmeligen Wand. Auf den ersten Blick unterschied er sich nicht von anderen Piraten. Das schmutzige, offen stehende Hemd gab den Blick auf einen ebenso schmutzigen, breiten Brustkorb frei und so viele Goldketten, dass man damit ein kleines Schiff am Kai hätte festmachen können. Eine goldene Schärpe, deren Enden bis zum rechten Knie hinunterreichten, lag um seine schmale Taille. Er trug eine ehemals schwarze Hose und ebensolche Stiefel, beides zu einem dunklen Grau verblasst.
»Gefällt Euch, was Ihr seht, Schätzchen?«
Seine Stimme war tief und volltönend, und Samanthas Blick wanderte wie von selbst zu seinem Gesicht hinauf. Einem eindrucksvollen Gesicht.
Im Gegensatz zu den meisten Freibeutern trug er weder einen Hut noch ein Kopftuch. Sein Haar hatte die Farbe der Sommersonne, und es fiel offen bis auf seine Schultern herab. Ein schmales Bärtchen saß über den schön geschwungenen Lippen. Das linke Auge lag unter einer schwarzen, glänzenden Klappe verborgen, das andere, grün wie ein Smaragd, fixierte sie unverwandt.
Wie sie seine Überheblichkeit verabscheute, wünschte, sie könnte ihn in seiner Zelle verfaulen lassen. Unglücklicherweise konnte sie das nicht. Sie hatte für ihre Rückkehr nach Port Royal ihr Leben riskiert. Wenn sie erkannt würde, wäre das ihr Tod. Ihre einzige Hoffnung beäugte sie mit unverhohlener Neugier. Samantha straffte sich. Sie war aus einem bestimmten Grund hierhergekommen, und sie würde ihr Vorhaben in die Tat umsetzen.
In die Rolle der Dirne schlüpfend - eine von vielen Rollen, die sie in den vergangenen Jahren am Leben erhalten hatten -, nahm Samantha eine der Locken, die sie über ihre linke Brust drapiert hatte, und wickelte sie um einen Finger. Sie setzte ein Lächeln auf, nach dem ihr nicht zumute war, und fragte mit honigsüßer Stimme: »Kapitän Bradley?«
Er sah sich in der winzigen Zelle um.
»Ich glaube, gestern war er noch hier«, er zuckte mit den Schultern, »aber er scheint gegangen zu sein.«
»Ihr seid ein Spaßvogel, wie?« Sie kicherte und hatte Mühe, bei dem schrillen Geräusch nicht zusammenzuzucken. »Sollt Ihr morgen nicht gehängt werden?«
Die Mundwinkel unter dem Bärtchen zuckten. »Luke hat den Galgen vor sich - ich bin nur wegen des guten Essens hier.«
»Wegen des guten Essens?« Sie gab vor, den Scherz nicht zu verstehen.
»Nun«, er betrachtete abschätzend ihren Körper, »wenn ich gewusst hätte, dass einem hier so reizende Gesellschaft geboten wird, wäre ich vielleicht schon früher gekommen.«
Samantha erstarrte unter seinem Blick zu Eis. Sie schluckte die Erwiderung hinunter, die ihr auf der Zunge lag. Die Zeit drängte - sie durfte sie nicht mit
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