Freiheit für Cyador
mit einem Topf und einem Brotkorb herein; wortlos verschwindet er wieder.
»Wir sollten anfangen, solange das Essen noch warm ist.« Gebynet nimmt sich zwei Kellen von dem Hammeleintopf, der hauptsächlich aus Fleischstücken, Karotten und einigen anderen Gemüsesorten besteht, die Lorn nur durch Augenschein nicht zu erkennen vermag. Gebynet gibt den Topf weiter an Lorn und bricht sich ein Stück vom Roggenbrot ab. »Nehmt Euch nur ordentlich.«
Der erste Löffel des Eintopfs schmeckt einfach nur salzig. Die Karotten sind verkocht zu orangefarbenem Brei und die Wurzeln nur noch eine weiche Masse, die von faserigen Fäden zusammengehalten wird. Lorn wechselt zwischen Eintopf, Brot und sehr kleinen Schlucken Byrdyn ab.
»Was genau machen die Ingenieure hier?«, fragt Lorn nach einigen Bissen. »Außer dass sie sämtliche Gewächse vernichten, die aus dem Wald kommen. Oder ist das schon alles?«
»Wir sind diejenigen, die die Mauer reparieren, wenn sie Schaden erlitten hat. Das geschieht aber nicht oft«, erklärt der Major. »Und wir bringen auch sonst alles in Ordnung.«
»Wie oft im Jahr muss die Mauer repariert werden?«, fragt Lorn hartnäckig weiter.
Gebynet runzelt die Stirn. »Nur etwa ein- oder zweimal, und dann sind es auch keine großen Brüche – meistens sind nur ein oder zwei Steinreihen wieder aufzumauern und die Kabel zu erneuern. Das ist allerdings der schwierigere Teil der Arbeit, weil man dazu die Verbindungen zwischen zwei Sperren unterbrechen muss – und das bedeutet für gewöhnlich auch, dass man diese ebenso erneuern muss.«
Lorn hebt die Augenbrauen und hofft, dass der Ingenieur noch mehr erzählt.
»Fortwährender Chaos-Fluss lässt jedes Material spröde werden. Durch die Sperren fließt ständig Chaos. Sie sind sehr robust, solange sie an ihrem angestammten Platz stehen, aber sobald das Chaos-Netz durchbrochen wird oder man die Sperren bewegt, zersplittern sie.«
Lorn nimmt sich noch etwas Eintopf und Brot und so viel vom Wein, dass das Ganze etwas Geschmack erhält, und denkt währenddessen über das Gesagte nach. »Dann seid Ihr eigentlich eher Magier als Lanzenkämpfer …«
»Fast alle Spiegeloffiziere sind zu vergleichen mit Magieradepten der dritten oder vierten Stufe«, pflichtet Gebynet ihm bei. »Irgendwann wurde uns allen nahe gelegt, dass unsere Talente bei den Ingenieuren besser aufgehoben wären.«
»Wir sind Magi’i mit Werkzeugen, Lorn«, fügt Sherpyt hinzu. »Mit weniger Macht und von viel niedrigerem Rang.«
Lorn runzelt die Stirn.
»Habt Ihr jemals einen Spiegelingenieur in Cyad gesehen?«
Der Lanzenkämpferoffizier schüttelt den Kopf.
»Das werdet Ihr auch nicht.« Sherpyt spricht diese Worte so sachlich und nüchtern aus, dass dadurch mehr Vorsicht enthüllt wird, als es jede Bitterkeit oder andere Gefühlsäußerung getan hätte. »Wenn sie unsere Arbeit auf einem Feuerschiff brauchen, dann bringen sie das Schiff in die Werft nach Fyrad. In Cyad selbst nehmen nur die Magi’i Chaos-Reparaturen vor.«
Lorn nickt.
»Unsere Talente werden gebraucht und sind dort am besten aufgehoben, wo sie in vollem Umfang zum Einsatz kommen können«, erklärt Sherpyt.
»Genau wie bei den Lanzenkämpferoffizieren, die so unklug sind zu zeigen, dass sie mit Chaos umgehen können«, fügt Gebynet gleichmütig hinzu. »Doch genug der Einzelheiten. Ich glaube, Ihr versteht jetzt, warum wir Euren sofortigen Bericht über den Schössling so schätzen und warum solche Berichte uns Ingenieure vor noch größeren … Schwierigkeiten bewahren.«
»Ich wusste nicht, dass der Verwunschene Wald mit einer derartigen Geschwindigkeit wächst.« Lorn nimmt den letzten Bissen vom Eintopf und weiß, dass er keinen einzigen weiteren Löffel davon mehr ertragen würde.
»Die meisten glauben es nicht, solange sie es nicht mit eigenen Augen gesehen haben«, antwortet Gebynet.
»Es kann einem Angst einjagen«, stimmt Sherpyt zu, der seinen Napf fortschiebt und dann einen Schluck Byrdyn trinkt.
Lorn muss gähnen.
»Ihr habt bereits eine lange Patrouille hinter und noch drei Tagesritte vor Euch.« Der Ingenieurmajor hebt sein leeres Glas. »Lasst Euch durch uns nicht aufhalten.«
Lorn steht auf. »Ich habe Euch beiden zu danken für den Wein, die Gastfreundschaft und für die Aufklärung über meine Pflichten und die Gefahren, die damit einhergehen.«
»Es war uns ein Vergnügen.« Gebynets Stimme klingt warm, Mund und Augen lächeln. »Wenn wir etwas für Euch tun können … dann
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