Freiheit fuer Mama
(das bedeutet, dass sie zumindest vorübergehend etwas Geld von Tim bekommt). Dann mietete sie eine große Wohnung und gründete eine WG. Die Sechs-Zimmer-Wohnung bewohnt sie heute mit einer Freundin, die auch zwei Kinder hat. Die Kids finden es lustig, weil immer etwas los ist und jeder jemanden zum Spielen hat. Für die Frauen ist es praktisch, weil sie die Kosten teilen, nicht allein sind, und abends das Betreuungsproblem gelöst ist.
Alleinsein ist gar nicht so einfach
Der Auflauf kommt. Wir stürzen uns drauf. Lecker, er schmeckt schön sahnig und ist sicher nichts für die Bikinifigur. Aber egal. Plötzlich hört Katharina auf zu essen. Sie nimmt ihr Glas und prostet mir zu. »Mir fällt gerade ein, dass ich heute auf den Tag genau drei Jahre aus dem Haus raus bin«, sagt sie. Sie lacht über das ganze Gesicht und scheint rundum zufrieden. Wir prosten uns zu, und ich sage: »Ich bewundere dich, wie du das alles geschafft hast.« Dann trinke ich einen Schluck und nehme noch eine Gabel Nudeln.
Eine Frage kann ich mir anschließend aber doch nicht verkneifen. Ich will wissen, ob sie den Schritt auch schon mal bereut habe. Katharina überlegt lange und guckt dabei ernst: »Nein, ich habe es nicht bereut. Es war die einzig richtige Lösung«, sagt sie. »Aber man muss nichts schönreden. Die erste Zeit war hart. Beinhart.« Rund eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis sich ihr Leben wieder eingependelt hatte. »Wie du weißt, ging es mir in der ersten Zeit schlecht, und ich war oft traurig. Eine gescheiterte Ehe ist ja auch eine Niederlage. Das muss man sich erst einmal eingestehen: dass man versagt hat, es nicht geschafft hat, zusammenzubleiben, ›bis dass der Tod euch scheidet‹. Ich fühlte mich oft auch allein. Du erinnerst dich vielleicht daran, dass ich zu einem deiner Geburtstage nicht gekommen bin. Ich hätte den Pärchen-Abend nicht durchgestanden. Sätze wie: › Wir fahren am Wochenende an die Ostsee‹ oder: › Mein Mann macht das immer für mich‹, die hätte ich nicht ertragen.«
Sie guckt auf einen Punkt, der hinter mir liegt, und fixiert ihn. Vielleicht sieht sie in der Küche, wie jemand Salatsauce anrührt oder sich die Kochmütze zurechtrückt. Sie sagt: »Es war auch mit den Kindern schwierig.« Linus sei in der Schule abgesackt und habe wieder angefangen, ins Bett zu machen. Lena sei jede Nacht zu ihr ins Bett gekrochen und habe sich ganz fest an sie gekuschelt. Oft habe sie schlecht geträumt.
In der Zeit hat Katharina viel über Scheidungskinder gelesen. Sie wollte wissen, was mit ihnen passiert. Es wird ja immer behauptet, dass Kinder aus Trennungsfamilien häufiger verhaltensauffällig werden und später Probleme haben, sich selbst auf Beziehungen einzulassen. Aber je mehr man liest und dahinterblickt, umso klarer wird auch, dass immer wieder Äpfel mit Birnen verglichen werden. In manchen Studien werden die Trennungskinder mit denen aus sogenannten intakten Familien verglichen. Ihnen gegenüber sind sie tatsächlich öfter verhaltensauffällig. Wenn man aber guckt, wie es in Konfliktfamilien aussieht, die zusammengeblieben sind, dann sind diese Kinder viel öfter psychisch auffällig als die Kinder aus getrennten Familien. Wenn Eltern sich trennen und die Spannung aufhört, dann kann das also für alle erleichternd sein. Doch letztendlich sind diese Erkenntnisse nur Papier, sagt Katharina. Wichtig sei doch, dass es den Kindern gut geht.
Durch die Trennung kriegen die Kinder den Vater zurück
Mir fällt eine Nudel auf den Boden. Ich will kein Schwein sein und verschwinde kurz unter dem Tisch, um sie aufzuheben. Während ich die Nudel suche, geht mir Katharinas letzter Satz durch den Kopf. Ja, wie macht man das, dass es den Kindern nach der Trennung gut geht? Als ich wieder auftauche, hat Katharina Fotos aus ihrer Tasche geholt. Darauf sind Linus und Lena zu sehen, ihre Zwillinge. Sie haben jeder ein Pony am Zügel und grinsen in die Kamera. »Das war in den letzten Frühjahrsferien. Da waren die beiden mit Tim auf einem Bauernhof.«
Die Kinder wirken auf den Bildern zufrieden. Ja, auch, wenn ich die beiden mal erlebt habe, waren sie ganz in Ordnung. Wie alle Kinder sind sie mal fröhlich, mal nervig und mal traurig. Aber sie wirken nicht auffällig, haben keine Tics entwickelt oder sind nervös und zappelig. Doch wie es ihnen wirklich geht, wie es in ihnen drinnen aussieht, das weiß ich natürlich nicht. Das weiß niemand.
Ich frage Katharina, wie die Kinder es finden, dauernd
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